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bergundsteigen #123 Seilverbindungsknoten Abseilen
13. Nov 2023 - 6 min Lesezeit

Welchen Seilverbindungsknoten beim Abseilen?

Es gibt diverse Szenarien beim Abseilen, in denen zwei Seile verbunden werden müssen: erstens, um die ganze Länge von Doppelseilen nutzen zu können. Zweitens für eine Seilverlängerung bei Bergemanövern. Oder drittens, wenn im Aufstieg mit Einfachseil geklettert und in Kombination mit einer dünnen Hilfsleine abgeseilt wird. Die Diskussion, welcher Knoten sich dafür am besten eignet, ist alt und wird in verschiedenen Ländern, verschiedenen Verbänden, verschiedenen Bergsportdisziplinen und der professionellen Höhenarbeit jeweils anders beantwortet. Im Folgenden werden die Festigkeiten sowie Vor- und Nachteile der meistverbreiteten Seilverbindungsknoten beleuchtet und es wird auf das Verbinden von Seilen unterschiedlicher Durchmesser eingegangen.

Lasten beim Abseilen

Beim Abseilen, Foto: Pauli Trenkwalder
Foto: Pauli Trenkwalder

Um die Eignung eines Knotens zum Verbinden von Seilen bewerten zu können, stellt sich zunächst die Frage, welche Kräfte beim Abseilen auftreten. Die exakte Kraft hängt vom Gewicht der oder des Abseilenden, der Art des Seils und vom Verhalten beim Abseilen ab. In Versuchen wurden die Kräfte gemessen, die auf die Umlenkung wirken, wenn eine 86 kg schwere Person abseilt. Ein exemplarischer Kraft-Zeit-Verlauf ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Last am Ankerpunkt beim Abseilen einer 86-kg-Person mit einem MEGA JUL im Doppelstrang mit
einem Seil mit 8,9 mm Durchmesser nach EN 892. An jedem Seilstrang wirken 50 % der Kraft.
Last am Ankerpunkt beim Abseilen einer 86-kg-Person mit einem MEGA JUL im Doppelstrang mit einem Seil mit 8,9 mm Durchmesser nach EN 892. An jedem Seilstrang wirken 50 % der Kraft.

Kurze Kraftspitzen entstehen, wenn man sich ruckartig in das Abseilgerät fallen lässt oder bei einem heftigen Ruck beim Abseilen („Durchsacken“). Diese Kraftspitzen erreichen maximal 2,6 kN, also etwa das Dreifache des Körpergewichts der oder des Abseilenden. Höhere Werte sind fast nur durch einen Sturz in das Abseilgerät möglich. Die Versuche wurden mit verschiedenen Sicherungsgeräten und Seilen wiederholt und die Kräfte wurden auch mit einem Seil mit geringer Dehnung nach EN 1892 nicht überschritten.

Beim gleichmäßigen Abseilen bewegen sich die Kräfte um das Körpergewicht, also ca. 0,9 kN. Diese Unterscheidung macht deshalb Sinn, da Seilverbindungsknoten zum Teil die Eigenschaft haben, bei einer konstant wirkenden Kraft zu rollen und sich dagegen bei nur kurz wirkenden Kraftspitzen zuzuziehen, ohne zu rollen. Umgerechnet auf eine 120-kg-Person sollten beim freihängenden Abseilen auf die Umlenkung maximal 3,6 kN und eine Dauerlast von 1,2 kN wirken. Im Einzelstrang wirkt die gesamte Last auch auf den Seilverbindungsknoten. Wird im Doppelstrang abgeseilt, wirkt auf den Seilverbindungsknoten nur die halbe Last.

Diese Seilverbindungsknoten wurden auf ihre Festigkeit hin getestet.
Diese Seilverbindungsknoten wurden auf ihre Festigkeit hin getestet.

Praxisanforderungen

Dass der Seilverbindungsknoten hält, ist Grundvoraussetzung. Darüber hinaus ist es für die Praxis wichtig, dass der Knoten beim Abziehen des Seils und am Umlenker möglichst wenig zum Verklemmen neigt. Asymmetrische Knoten, wie Sackstich, Achter und Paketknoten, können auf die Seite mit weniger Struktur rollen und neigen deshalb weniger dazu, an Felskanten hängen zu bleiben. Je kleiner der Knoten ist, desto engere Risse kann er durchrutschen.

Sackstich versus doppelter Spierenstich
Sackstich (links) versus doppelter Spierenstich (rechts) – der Sackstich rollt leichter über Felskanten. Asymmetrische Knoten neigen weniger dazu, an Felsvorsprüngen und -kanten hängen zu bleiben.
Sackstich versus Achter
Je kleiner der Knoten ist, desto leichter kann er durch enge Risse rutschen. Sackstich (links) versus Achter (rechts) – der kleinere Sackstich rutscht leichter durch enge Risse als ein Achter oder Paketknoten.

Festigkeiten von Seilverbindungsknoten

Folgende Knoten zum Verbinden von Seilen wurden überprüft: Sackstich, Achter, doppelter Spierenstich, zwei Sackstiche hintereinander und Paketknoten.

Methode. Die Knoten wurden mit min. 30 cm langen Seilenden sauber gelegt (ohne Kreuzungen) und an allen vier Enden festgezogen. Die Belastung der Knoten erfolgte zwischen zwei Schlingscheiben mit 180 mm Durchmesser und einer Geschwindigkeit von 1000 mm/min. Bestimmt wurde die Kraft, bei der es zu einem ersten Rollen des Knotens kam („1. Rollen“). Wenn der Knoten über die Enden hinausrollte, wurde die höchste Kraft ermittelt, die beim Rollen des Knotens auftrat („Rollen“). Wenn es zu einem Bruch des Seils kam, wurde die höchste Zugkraft vor dem Bruch angegeben („HZK“). Die angegebenen Werte sind die Mittelwerte aus drei Versuchen.

Ergebnisse Seilverbindungsknoten mit gleichen Durchmessern

SWIFT 48 PRO DRY 8,9 mm Durchmesser

SWIFT 48 PRO DRY 8,9 mm Durchmesser
Einfach-, Halb- und Zwillingsseil nach EN 892 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 18,1 kN.
Knotenfestigkeiten SWIFT 48 PRO DRY 8,9 mm Durchmesser; Einfach-, Halb- und Zwillingsseil nach EN 892 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 18,1 kN.
Knotenfestigkeiten SWIFT 48 PRO DRY 8,9 mm Durchmesser; Einfach-, Halb- und Zwillingsseil nach EN 892 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 18,1 kN.

CANARY PRO DRY 8,6 mm Durchmesser

neu:

CANARY PRO DRY 8,6 mm Durchmesser
Einfach-, Halb- und Zwillingsseil nach EN 892 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 16,8 kN.

gebraucht:

Gebrauchtes CANARY PRO DRY 8,6 mm Durchmesser
Einfach-, Halb- und Zwillingsseil nach EN 892 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 17,6 kN.

APUS PRO DRY 7,9 mm Durchmesser

neu:

APUS PRO DRY 7,9 mm Durchmesser
Nach EN 892; Halb- und Zwillingsseil mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 15,1 kN.

gebraucht:

Gebrauchtes APUS PRO DRY 7,9 mm Durchmesser
Nach EN 892; Halb- und Zwillingsseil mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 14,7 kN.

SKIMMER PRO DRY 7,1 mm Durchmesser

SKIMMER PRO DRY 7,1 mm Durchmesser
Halb- und Zwillingsseil nach EN 892 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 13,3 kN.

RAPLINE PROTECT PRO DRY 6,0 mm Durchmesser

RAPLINE PROTECT PRO DRY 6,0 mm Durchmesser
Nach EN 564 mit einer Ausgangsfestigkeit (ohne Knoten) von 11,0 kN.

PROSTATIC SYNC TEC 10,5 mm Durchmesser

PROSTATIC SYNC TEC 10,5 mm Durchmesser
Nach EN 1891 Typ A mit einer Ausgangsfestigkeit (Knoten) von 34,5 kN.

Ergebnisse Seilverbindungsknoten mit unterschiedlichen Seil-Durchmessern

Ergebnisse Seilverbindungsknoten mit unterschiedlichen Seil-Durchmessern

Diskussion

In Bezug auf die Festigkeit erreicht der doppelte Spierenstich die höchsten Werte; selbst beim Verbinden von zwei RAPLINES noch 6,9 kN. Der Achterknoten fängt bei den niedrigsten Kräften an zu rollen, was nicht optimal ist. Der Sackstich rollt aus den meisten Materialien heraus, ist aber der kleinste und ein asymmetrischer Knoten und bietet damit die kleinste Verhängungsgefahr. Der Paketknoten rollt wenig und liegt von der Festigkeit zwischen Achter und Spierenstich, ist aber relativ groß.

Einfluss vom Gebrauch: Die im Versuch gebrauchten Seile waren etwa fünf Jahre mittelhäufig beim Klettern am Felsen im Einsatz. Durch den Gebrauch ist der Seilmantel rauer im Vergleich zu neuen Seilen, denn die Imprägnierung ist abgenutzt und der Mantel leicht aufgepelzt. Knoten neigen weniger stark zum Rollen.

Dieser Effekt wird bei Seilen im Gebrauch für gewöhnlich eintreten. Die Festigkeit der Knoten war bei diesen Seilen nicht nennenswert reduziert. Die Festigkeitsreduktion hängt aber von der Art des Gebrauchs sowie vom genauen Zustand eines Seils ab und die Ergebnisse lassen keine allgemeingültigen Rückschlüsse zu.

Für eine Bewertung stellt sich die Frage, wie viel ein Seilverbindungsknoten halten muss. Mit den Ergebnissen aus den Abseilversuchen lassen sich folgende Anforderungen ableiten: Seilverbindungsknoten, die bei 2 kN noch nicht zu rollen anfangen und bei 5 kN noch nicht reißen, bieten für das Abseilen/Ablassen einer 120-kg-Person im Einfachstrang immer noch einen Sicherheitspuffer von etwa Faktor 1,5 für den Fall einer „worst case“-Anwendung.

Im Doppelstrang wird die Last auf den Knoten halbiert und Seilverbindungsknoten, die bei 1 kN noch nicht zu rollen anfangen und bei 2,5 kN noch nicht reißen, bieten ebenso einen Sicherheitspuffer von etwa Faktor 1,5 für den Fall einer „worst case“-Anwendung. Alle Seilverbindungsknoten mit Einfachseilen erreichten bei den Versuchen die Anforderungen für eine 120-kg-Person im Einzelstrang. Bei einer Seilverbindung mit Einfachseil und RAPLINE PROTECT werden die Anforderungen knapp erreicht. Mit den Halbseilen werden mit dem Sackstich die Anforderungen fürs Abseilen im Doppelstrang erreicht, für das Arbeiten im Einfachstrang bieten sie zu wenig Puffer.

Fazit

Mit dem doppelten Spierenstich ist man in puncto Festigkeit auf der sicheren Seite. Allerdings birgt das Verhängen des Seils in der Gesamtbetrachtung des Abseilvorgangs enorme Gefahren und Nachteile. Deshalb hat der Sackstich seine Berechtigung als Seilverbindungsknoten. Er bietet für das Abseilen/Ablassen im Doppelstrang genügend Festigkeit und neigt weniger zum Verhängen. Beim Abseilen/Ablassen im Einzelstrang mit dünnen, glatten Halbseilen macht es Sinn, den Sackstich durch einen zweiten vor dem Herausrollen zu sichern. Extrem wichtig bei allen Seilverbindungsknoten ist es, die Seilenden ausreichend lang zu lassen (ca. 30 cm) und den Knoten an allen vier Seilenden ordentlich zuzuziehen.

der Sackstich-Knoten
Der Sackstich bietet für das Abseilen im Doppelstrang genügend Festigkeit. Mit dünnen und glatten Seilen macht es Sinn, den Sackstich mit einem zweiten gegen das Herausrollen zu sichern.

Mehr zu Knoten: „Leicht gemacht: richtig Knoten

Erschienen in der
Ausgabe #123 (Sommer 23)

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