Welchen Seilverbindungsknoten beim Abseilen?
Lasten beim Abseilen
Um die Eignung eines Knotens zum Verbinden von Seilen bewerten zu können, stellt sich zunächst die Frage, welche Kräfte beim Abseilen auftreten. Die exakte Kraft hängt vom Gewicht der oder des Abseilenden, der Art des Seils und vom Verhalten beim Abseilen ab. In Versuchen wurden die Kräfte gemessen, die auf die Umlenkung wirken, wenn eine 86 kg schwere Person abseilt. Ein exemplarischer Kraft-Zeit-Verlauf ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Kurze Kraftspitzen entstehen, wenn man sich ruckartig in das Abseilgerät fallen lässt oder bei einem heftigen Ruck beim Abseilen („Durchsacken“). Diese Kraftspitzen erreichen maximal 2,6 kN, also etwa das Dreifache des Körpergewichts der oder des Abseilenden. Höhere Werte sind fast nur durch einen Sturz in das Abseilgerät möglich. Die Versuche wurden mit verschiedenen Sicherungsgeräten und Seilen wiederholt und die Kräfte wurden auch mit einem Seil mit geringer Dehnung nach EN 1892 nicht überschritten.
Beim gleichmäßigen Abseilen bewegen sich die Kräfte um das Körpergewicht, also ca. 0,9 kN. Diese Unterscheidung macht deshalb Sinn, da Seilverbindungsknoten zum Teil die Eigenschaft haben, bei einer konstant wirkenden Kraft zu rollen und sich dagegen bei nur kurz wirkenden Kraftspitzen zuzuziehen, ohne zu rollen. Umgerechnet auf eine 120-kg-Person sollten beim freihängenden Abseilen auf die Umlenkung maximal 3,6 kN und eine Dauerlast von 1,2 kN wirken. Im Einzelstrang wirkt die gesamte Last auch auf den Seilverbindungsknoten. Wird im Doppelstrang abgeseilt, wirkt auf den Seilverbindungsknoten nur die halbe Last.
Praxisanforderungen
Dass der Seilverbindungsknoten hält, ist Grundvoraussetzung. Darüber hinaus ist es für die Praxis wichtig, dass der Knoten beim Abziehen des Seils und am Umlenker möglichst wenig zum Verklemmen neigt. Asymmetrische Knoten, wie Sackstich, Achter und Paketknoten, können auf die Seite mit weniger Struktur rollen und neigen deshalb weniger dazu, an Felskanten hängen zu bleiben. Je kleiner der Knoten ist, desto engere Risse kann er durchrutschen.
Festigkeiten von Seilverbindungsknoten
Folgende Knoten zum Verbinden von Seilen wurden überprüft: Sackstich, Achter, doppelter Spierenstich, zwei Sackstiche hintereinander und Paketknoten.
Methode. Die Knoten wurden mit min. 30 cm langen Seilenden sauber gelegt (ohne Kreuzungen) und an allen vier Enden festgezogen. Die Belastung der Knoten erfolgte zwischen zwei Schlingscheiben mit 180 mm Durchmesser und einer Geschwindigkeit von 1000 mm/min. Bestimmt wurde die Kraft, bei der es zu einem ersten Rollen des Knotens kam („1. Rollen“). Wenn der Knoten über die Enden hinausrollte, wurde die höchste Kraft ermittelt, die beim Rollen des Knotens auftrat („Rollen“). Wenn es zu einem Bruch des Seils kam, wurde die höchste Zugkraft vor dem Bruch angegeben („HZK“). Die angegebenen Werte sind die Mittelwerte aus drei Versuchen.
Ergebnisse Seilverbindungsknoten mit gleichen Durchmessern
SWIFT 48 PRO DRY 8,9 mm Durchmesser
CANARY PRO DRY 8,6 mm Durchmesser
neu:
gebraucht:
APUS PRO DRY 7,9 mm Durchmesser
neu:
gebraucht:
SKIMMER PRO DRY 7,1 mm Durchmesser
RAPLINE PROTECT PRO DRY 6,0 mm Durchmesser
PROSTATIC SYNC TEC 10,5 mm Durchmesser
Ergebnisse Seilverbindungsknoten mit unterschiedlichen Seil-Durchmessern
Diskussion
In Bezug auf die Festigkeit erreicht der doppelte Spierenstich die höchsten Werte; selbst beim Verbinden von zwei RAPLINES noch 6,9 kN. Der Achterknoten fängt bei den niedrigsten Kräften an zu rollen, was nicht optimal ist. Der Sackstich rollt aus den meisten Materialien heraus, ist aber der kleinste und ein asymmetrischer Knoten und bietet damit die kleinste Verhängungsgefahr. Der Paketknoten rollt wenig und liegt von der Festigkeit zwischen Achter und Spierenstich, ist aber relativ groß.
Einfluss vom Gebrauch: Die im Versuch gebrauchten Seile waren etwa fünf Jahre mittelhäufig beim Klettern am Felsen im Einsatz. Durch den Gebrauch ist der Seilmantel rauer im Vergleich zu neuen Seilen, denn die Imprägnierung ist abgenutzt und der Mantel leicht aufgepelzt. Knoten neigen weniger stark zum Rollen.
Dieser Effekt wird bei Seilen im Gebrauch für gewöhnlich eintreten. Die Festigkeit der Knoten war bei diesen Seilen nicht nennenswert reduziert. Die Festigkeitsreduktion hängt aber von der Art des Gebrauchs sowie vom genauen Zustand eines Seils ab und die Ergebnisse lassen keine allgemeingültigen Rückschlüsse zu.
Für eine Bewertung stellt sich die Frage, wie viel ein Seilverbindungsknoten halten muss. Mit den Ergebnissen aus den Abseilversuchen lassen sich folgende Anforderungen ableiten: Seilverbindungsknoten, die bei 2 kN noch nicht zu rollen anfangen und bei 5 kN noch nicht reißen, bieten für das Abseilen/Ablassen einer 120-kg-Person im Einfachstrang immer noch einen Sicherheitspuffer von etwa Faktor 1,5 für den Fall einer „worst case“-Anwendung.
Im Doppelstrang wird die Last auf den Knoten halbiert und Seilverbindungsknoten, die bei 1 kN noch nicht zu rollen anfangen und bei 2,5 kN noch nicht reißen, bieten ebenso einen Sicherheitspuffer von etwa Faktor 1,5 für den Fall einer „worst case“-Anwendung. Alle Seilverbindungsknoten mit Einfachseilen erreichten bei den Versuchen die Anforderungen für eine 120-kg-Person im Einzelstrang. Bei einer Seilverbindung mit Einfachseil und RAPLINE PROTECT werden die Anforderungen knapp erreicht. Mit den Halbseilen werden mit dem Sackstich die Anforderungen fürs Abseilen im Doppelstrang erreicht, für das Arbeiten im Einfachstrang bieten sie zu wenig Puffer.
Fazit
Mit dem doppelten Spierenstich ist man in puncto Festigkeit auf der sicheren Seite. Allerdings birgt das Verhängen des Seils in der Gesamtbetrachtung des Abseilvorgangs enorme Gefahren und Nachteile. Deshalb hat der Sackstich seine Berechtigung als Seilverbindungsknoten. Er bietet für das Abseilen/Ablassen im Doppelstrang genügend Festigkeit und neigt weniger zum Verhängen. Beim Abseilen/Ablassen im Einzelstrang mit dünnen, glatten Halbseilen macht es Sinn, den Sackstich durch einen zweiten vor dem Herausrollen zu sichern. Extrem wichtig bei allen Seilverbindungsknoten ist es, die Seilenden ausreichend lang zu lassen (ca. 30 cm) und den Knoten an allen vier Seilenden ordentlich zuzuziehen.
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