Tourenbindungen: Was ist der Z-Wert?
Jede Skibindung stellt die Verbindung zwischen Schuh und Ski – und damit zwischen Mensch und Schnee – dar. Ihre Aufgabe ist es, nur dann zu lösen, wenn es notwendig ist, etwa bei einem Sturz, und das auf reproduzierbare Weise, je nach eingestelltem Z-Wert.
Der Z-Wert spielt eine entscheidende Rolle in der richtigen Einstellung von Skibindungen, sowohl bei klassischen Alpinskibindungen als auch bei Tourenbindungen. Dieser Wert gibt an, bei welcher Kraft die Bindung auslöst und sorgt damit für die richtige Sicherheitswirkung, um Verletzungen zu vermeiden. Eine zu hohe Einstellung kann zu Verletzungen führen, während eine zu niedrige Einstellung das Risiko einer ungewollten Auslösung erhöht.
Mit einer Software wird der Z-Wert prinzipiell anhand der ISO 11088-Tabelle berechnet. Es gibt dabei verschiedene Methoden, wie die Tibiamethode und die häufig verwendete Gewichtsmethode, um den Z-Wert zu ermitteln. Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich um eine Alpin- oder Tourenbindung handelt, jedoch ist eine gute Kenntnis der Benutzungsregeln der Tabelle von großer Bedeutung. Der Z-Wert wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, darunter Körpergewicht, Sohlenlänge des Skischuhs und das Können des Skifahrers. Wer den Z-Wert selbst berechnen und einstellen will, kann dafür mittlerweile auch eine App wie Rentmaxx Z-Value nutzen.
Faktoren, die den Z-Wert beeinflussen:
- Körpergewicht: Je schwerer der Skifahrer, desto höher der Z-Wert.
- Sohlenlänge: Eine größere Sohlenlänge führt zu einem niedrigeren Z-Wert.
- Fahrkönnen: Ein erfahrenerer Skifahrer benötigt in der Regel einen höheren Z-Wert als ein Anfänger.
- Alter und Gesundheit: Für Kinder oder ältere Personen ist der Z-Wert tendenziell niedriger.
Die Entwicklung der Bergunfallstatistik der letzten Jahre zeigt eine deutliche Schere: Prozentual nehmen Lawinenunfälle ab, Sturzunfälle hingegen zu. Um sich vor möglichen Sturzverletzungen zu schützen, gehört eine richtig eingestellte und geprüfte Skitourenbindung mit zuverlässiger Auslösung in jeder Situation unbedingt zur Sicherheitsausrüstung.
Z-Wert: Ein Hintergrundgespräch mit Andreas Gramshammer
von Peter Plattner, bergundsteigen #102
bergundsteigen: Andreas, was ist deine Expertise, wenn es um Skitourenbindungen geht?
Andreas Gramshammer: Mittlerweile arbeite ich seit über 20 Jahren in unserem Outdoor- und Bergsportshop im Innsbrucker Zentrum. Reparaturen und Montagen gehören zu unseren Spezialitäten und wir kennen durch unsere Erfahrung mit Tourenbindungen der letzten 30 Jahre die Tricks, die für einen reibungslosen und sicheren Gebrauch sorgen.
Dem Trend folgend produzieren immer mehr Hersteller Skitourenbindungen. Jährlich kommen neue Modelle auf den Markt. Worin unterscheiden sich die erhältlichen Produkte?
Der größte Unterschied findet sich zwischen den Rahmenbindungen und den Pin-Systemen. Erstere werden vor allem von Benutzern mit Alpin- und Freerideschuhen verwendet. Die Meinung, dass diese komfortabler bzw. stabiler sind, stimmt nur bedingt.
Eine gut ausgestattete Pin-Bindung ermöglicht genauso einen einfachen Einstieg und bietet eine sehr gute Kraftübertragung. Nur eben mit dem Vorteil, dass das Gewicht um vieles geringer ist und nur die Masse der Schuhe bewegt werden muss. So sind bei uns fast nur mehr Pin-Systeme gefragt.
Die Vielzahl der Pin-Bindungen zeichnet so manchem ein großes Fragezeichen ins Gesicht. Deshalb ist eine genaue Aufschlüsselung der Bedürfnisse unglaublich wichtig, um die richtige Bindung zu finden. Wie auch bei Skiern und Schuhen gilt grundsätzlich: je weniger Gewicht, desto weniger Ausstattung, Komfort und Sicherheit.
Welche Eigenschaften einer Tourenbindung sind für dich wichtig, wenn du an den klassischen Wochenendtourengeher denkst?
Mit einigen gezielten Fragen und einer guten Beratung finden wir meist schnell die richtige Bindung. Hier treten für den Wochenendtourengeher zum Beispiel die Dynafit Radical/Rotation Bindungen (zum Vergleich), die seit vielen Jahren ein erprobter Allrounder für klassische Skitouren sind, oder Fritschi Vipec/Tecton als unkomplizierte, leichte und sicherheitstechnisch ausgereifte Systeme in den Vordergrund. Der Einstieg ist bei diesen Bindungen durch einen Anschlag recht einfach.
Wer etwas Leichteres möchte, findet z.B. bei der italienischen Marke ATK sehr gut verarbeitete Modelle. Hier sieht man allerdings einen großen Unterschied bei der Sicherheit.
Während Vipec und Radical Rotation sehr gleichbleibende und gut messbare Auslösewerte erreichen, können die Leichtbindungen hier nicht mithalten. Bei Bindungen wie z.B. Dynafit Speedfit ist der Auslösewert überhaupt nur in der Drehachse einstellbar. Hier muss vorab genau begutachtet werden, ob eine solche Bindung für die jeweilige Person überhaupt geeignet ist.
Abgesehen von der Wunschbindung spielt auch noch der Schuh eine große Rolle. Gerade ältere Modelle zeigen erst in einem Auslösetest mit einem Drehmomentmessgerät, dass diese mit gewissen Bindungen nicht kombinierbar sind. Die Vielzahl der unterschiedlichen in den Schuhen eingesetzten Pin-Inserts und der teils ungenauen Verarbeitung macht hier generelle Aussagen über Kompatibilität nicht möglich. Es gibt hier einfach nicht „die“ Bindung für jeden.
Mehr dazu: Sieben Allround-Bindungen im Test
Jetzt habe ich bei dir einen neuen Ski mit Bindung gekauft. Wie gehst du bei der Montage und Einstellung vor?
Wir nehmen die Daten wie Gewicht, Körpergröße, Alter, Sohlenlänge und Fahrkönnen auf. Aus diesen Daten wird der Bindungseinstellwert – Z-Wert – berechnet. Bei manchen Skimodellen macht es auch Sinn, über den Montagepunkt zu sprechen. Hier lassen sich die Fahreigenschaften kräftig beeinflussen.
Bevor wir dann den Ski anbohren, wird bei gewissen Kombinationen dann ein erster Kompatibilitätstest mit einer Demobindung durchgeführt. Anschließend werden mit einer Montagelehre und passenden Bohrern die Löcher gebohrt.
Der Bohrlochdurchmesser und die Tiefe sind vom Aufbau und den verwendeten Materialien der Skier abhängig. Ohne eine genau justierte Lehre ist es gerade bei den Pin-Systemen sehr wahrscheinlich, dass durch bereits kleine Ungenauigkeiten der Schuh nicht gerade in der Bindung sitzt und deshalb der Auslösewert links/rechts stark unterschiedlich ausfällt.
Dann werden die Löcher mit einem Bindungsleim – wasserdicht und flexibel – aufgefüllt, die Bindung festgeschraubt und ggf. ausgerichtet. Neben der millimetergenauen Längenanpassung können z.B. bei Vipec/ Tecton auch die Pins selbst eingestellt werden. Danach geht es noch einmal auf den Prüfstand.
Das ist wichtig, da die aufgedruckten Skalen des Z-Werts nicht immer exakt stimmen und ohne einen Messwert entweder zu früh oder zu spät ausgelöst wird – Abweichungen vom Rechenwert kommen häufig vor. In beiden Fällen können Verletzungen die Folge sein.
Bei Interesse besprechen wir die Ergebnisse dann mit dem Kunden. Das ganze Prozedere ist sehr zeitaufwändig und auch teuer. Das Messgerät kostet um die € 11.000,- und dazu kommen auch die regelmäßige Wartung und Kalibrierung. Die Minimierung des Verletzungsrisikos ist das aber Wert.
Was genau ist der Z-Wert und wie ermittelst du ihn exakt?
Unsere Software ermittelt den Z-Wert prinzipiell auch aus der ISO 11088 Tabelle. Es gibt die Tibiamethode und die häufiger genutzte Gewichtsmethode. Hier wird nicht unterschieden, ob Alpin- oder Tourenbindung, aber wichtig ist eine gute Kenntnis über die Benutzungsregeln der Tabelle und das Zusammenspiel der gesamten Daten.
Grob gesagt: umso schwerer umso höher, umso größer die Sohlenlänge umso kleiner, besserer Skifahrer höherer, Kinder bzw. ältere Personen kleinerer Wert. Aber dafür sitzt jeder Sportmonteur lange genug in der Ausbildung. Dieser Rechenwert kann bei uns auch gerne nachgefragt werden. Wir können viele, aber nicht alle Bindungen mit dem Prüfgerät messen. Bindungen der älteren Generationen und Leichtbindungen liefern bedingt durch z.B. kurze Federwege oder starre Vorderbacken keine brauchbaren Messdaten. Wir führen entweder mehrere Messungen durch und versuchen einen guten Durchschnitt zu finden oder wir müssen uns an dem Rechenwert orientieren. Der Kunde muss unbedingt darauf hingewiesen werden.
Was bekomme ich also von einem seriösen Fachsportgeschäft in die Hand gedrückt, wenn ich meinen montierten Ski abhole?
Wenn eine Bindungsüberprüfung durchgeführt wurde, gibt es ein Prüfprotokoll. Auf diesem sollten die angegebenen Daten – Gewicht, etc. – mit dem Kunden noch einmal kontrolliert werden; Tippfehler können vorkommen, die Folgen können aber schwerwiegend sein. Wenn eine Messung nicht vorgenommen wurde oder nicht möglich ist, müssen die Auswirkungen und möglichen Folgen abgeklärt werden.
Jetzt bin ich aber ein echter Freerider und habe extra die Bindung mit Z-Wert bis 16 gekauft und möchte, dass die bei meinen irren Jumps auf gar keinen Fall aufgeht. Dann kannst du sie mir ja härter zudrehen?
Die Rechenwerte ergeben schon Sinn, sind allerdings nur theoretische Werte. Der Körperbau, die Kraft und Belastbarkeit der Gelenke und Bänder werden nur in einem Durchschnittswert ermittelt. Eine Abweichung nach oben in einem gewissen Rahmen ist bei trainierten Skifahrern auch kein Problem.
Das Abwägen zwischen dem Risiko, den Ski zu verlieren und einer Überbelastung des Körpers ist nicht einfach. Man sollte aber realistisch mit sich selbst sein. Es macht keinen Sinn, mit einem sehr hohen Z-Wert seinen Mut zu beweisen. Wenn die Bindung im richtigen Moment nicht aufgeht, ist die Saison vorbei.
Aber viele Pin-Bindungen gehen doch auch korrekt eingestellt bei der Abfahrt zu leicht auf und deswegen verriegeln viele Tourengeher bei der Abfahrt den Vorderbacken.
Oft gesehen, aber ganz schlechte Idee. Bei verriegeltem Vorderbacken gibt es keine kontrollierte Auslösung. Die Folge können ausgerissene/ gebrochene Bindungen oder auch Verletzungen sein. Bei einer gut eingestellten Bindung besteht kein Grund, dieses Risiko einzugehen.
Die Vereisung einer Bindung oder der Pin-Inserts – oft Grund für „falsche“ Auslösungen – kann man mit der korrekten Bedienung leicht verhindern. Im Skidepot z.B. den Vorderbacken schließen oder nach dem Einstieg den Schuh in den Pins vor und zurück bewegen, um mögliches Eis aus den Inserts zu entfernen.
Du bekommst in deinem Sportgeschäft viele Rückmeldungen von Kunden. Was sind nach deiner Erfahrung die Hauptprobleme bei der Einstellung von Tourenbindungen?
Das Hauptproblem sind vormontierte Bindungen von bestellen Skisets. Die Montage wird meist nur anhand der Sohlenlänge durchgeführt. Der Abstand der Pins und die Sohlenlänge (komplett) sind aber keine zusammenhängenden Werte. Die perfekte Anpassung kostet nicht viel, aber oft kommen die Besitzer erst nach einem Problem oder einer Verletzung zu uns …
Abfahrtsorientierte Pin-Bindungen: Top-Modelle im Überblick
Eine Zertifizierung als Sicherheitsskibindung nach DIN ISO 13992 besitzendie Herstelelr Dynafit (Radical- und Beast-Serie), Fritschi (Vipec und Tectron) und Marker (KingPin). Allerdings gibt es keine eigenen Normen für Tourenbindungen.
Fritschi Tecton 13
Die Fritschi Tecton 13 (zum ausführlichen Test von PowderGuide) bietet eine exzellente Kombination aus Leichtgewicht und hoher Sicherheitsleistung. Besonders hervorzuheben ist die sehr gute Kraftübertragung beim Abfahren, die fast mit einer klassischen Alpinbindung vergleichbar ist, sowie die zuverlässige Auslösung im Falle eines Sturzes. Die Bindung besitzt eine definierte Freigabe mit hoher Elastizität, wodurch der Z-Wert optimal eingestellt werden kann, ohne unnötig hoch angesetzt werden zu müssen. Ein weiteres Sicherheitsmerkmal ist die sehr stabile und langlebige Konstruktion. Die Bindung ist auch in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit und Handling ausgezeichnet und bietet ein einfaches Umstellen zwischen Aufstiegs- und Abfahrtsmodus. Insgesamt stellt die Tecton 13 eine der sichersten und leichtesten Bindungen in ihrer Kategorie dar.
ATK Freeraider 15 EVO
Die ATK Freeraider 15 EVO (Test bei Powder.com) hat sich in den letzten Jahren als eine der führenden Pinbindungen auf dem Markt etabliert, besonders für Freerider und anspruchsvolle Tourengeher. Sie kombiniert ein sehr geringes Gewicht mit einer hohen Kraftübertragung, die für eine präzise Steuerung und Kontrolle bei der Abfahrt sorgt. Trotz des leichten Designs bietet die Bindung einen hohen maximalen Z-Wert, was sie zu einer ausgezeichneten Wahl für schwerere oder erfahrene Skifahrer macht, die eine starke Leistung benötigen. Ein Merkmal der Freeraider 15 EVO ist die Möglichkeit, den Auslösewert am Vorderbacken einzustellen, was die Sicherheit deutlich erhöht. Diese Verstellbarkeit ermöglicht eine präzise Anpassung an individuelle Bedürfnisse und sorgt für eine optimale Balance zwischen Sicherheit und Performance. Besonders für Freerider stellt diese Bindung eine hochperformante und sichere Option dar.
Marker Kingpin MWerks 12
Die Marker Kingpin MWerks 12 bietet eine hervorragende Kraftübertragung dank des Alpin-Hinterbackens und sorgt somit für eine exzellente Abfahrtsperformance. Im Vergleich zu anderen Pinbindungen ist sie etwas schwerer, bietet jedoch eine hohe Auslösesicherheit und guten Bedienkomfort. Der Hinterbacken, der am Skischuhrand greift, sorgt für Elastizität, während der Vorderbacken leicht und einfach zu bedienen ist. Die Kingpin MWerks 12 ist mit einem Auslösebereich von 5 bis 12 erhältlich und verwendet Carbonverstärkungen, die das Gewicht im Vergleich zu anderen Modellen reduzieren, ohne die Stabilität zu beeinträchtigen.
Mehr zu Tourenbindungen & Unfallstatistik via ÖKAS: Essenzielles über Tourenbindungen