Störquellen bei der Lawinenrettung
Wie stark stören elektronische Airbagsysteme, Handys & Co. die LVS-Suche und welche
Konsequenzen ergeben sich daraus für die Praxis?
Alle elektronischen und magnetischen Quellen können Lawinenverschüttetensuchgeräte (LVS) stören – dies wurde mehrfach untersucht. So beeinträchtigen elektromagnetische Interferenzen, kurz EMI, die Leistung von LVS-Geräten zum Teil erheblich und gefährden die Sicherheit im Gelände. Trotzdem nehmen viele Skitourengeherinnen und Skitourengeher im Gelände keine Rücksicht darauf.
Das Black Diamond Forschungsteam QC Lab hat diese potenziellen Störungen in einer Studie erneut untersucht, denn nicht nur die Zahl der Wintersportlerinnen steigt, sondern vor allem auch die Zahl der mitgeführten elektronischen Geräte: Vom Handy über die Smartwatch und das GPS-Gerät bis hin zu beheizbaren Handschuhen und Socken oder elektronischen Airbags trägt fast jeder Tourengeher gleich mehrere potenzielle Störquellen auf Skitour in unmittelbarer Nähe zum LVS-Gerät.
Wie stark elektronische Airbagsysteme die LVS-Suche beeinflussen: Eine Untersuchung über die Kehrseite von elektronischen Systemen von Lorenz Berger und Lukas Fritz in der aktuellen bergundsteigen #125.
Elektromagnetische Interferenzen (EMI) werden definiert als unerwünschte Störungen in einem elektrischen Pfad oder Schaltkreis, welche durch eine externe Quelle verursacht werden und die effektive Leistung elektronischer Geräte unterbrechen, behindern oder anderweitig verschlechtern oder einschränken.
LVS-Geräte sind im Wesentlichen Funkgeräte, die auf einem international anerkannten Frequenzband arbeiten – 457 kHz. Ein LVS-Gerät sendet im Sendemodus jede Sekunde einen Signalimpuls. Sobald das Gerät in den Suchmodus versetzt wird, sucht es nach Signalimpulsen in der Nähe und zeigt Entfernungs- und Richtungsinformationen an, um die Ortung von Sendeempfängern (Lawinenopfern) zu erleichtern. Je weiter man sich von einem sendenden Gerät entfernt, desto schwächer wird das Signal.
Bei den maximalen Reichweiten versucht ein LVS-Gerät, sozusagen ein „Flüstern“ zu empfangen. Und in diesem Bereich sind die LVS-Geräte am anfälligsten für elektromagnetische Interferenzen.
Passive Quellen
Aktive Quellen
Umweltbedingte Quellen
In der Untersuchung konzentrieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der QC-Lab auf die aktiven Störungsquellen, da diese die größte Gefahr darstellen – und durch einfache Maßnahmen gemildert werden können.
Die meisten elektronischen Geräte wie das Smartphone erzeugen elektromagnetische Interferenzen auf verschiedenen Frequenzen und in unterschiedlicher Stärke. Wenn die Interferenzen im Frequenzbereich um 457 kHz auftreten, können sie die Leistung von Sende- und Empfangsgeräten beeinträchtigen.
Hierbei gilt zu bedenken, dass Unterhaltungselektronik nicht speziell für den Einsatz im Gelände konzipiert wurde und die Wichtigkeit des 457-KHz-Frequenzbands nicht berücksichtigt.
In Abbildung 1 ist das Signal eines LVS-Geräts in einer relativ störungsfreien Umgebung dargestellt. Ein gewisses Maß an Interferenzen ist in der realen Welt unvermeidlich. Eine wirklich störungsfreie Umgebung kann nur im Labor geschaffen werden. Wie man sieht, ist der Signalpegel deutlich höher als der Störpegel. Die Differenz zwischen diesen Pegeln wird als Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) bezeichnet. Dieses Verhältnis ist besonders wichtig, da der Prozessor des LVS-Geräts diesen Wert nutzt, um ein echtes LVS-Signal von allen anderen Signalen zu unterscheiden.
Je weiter sich der Tourengeher vom Sender entfernt und je schwächer das Signal wird, desto eher sieht die Situation wie in Abbildung 2 unten aus: das Signal-Rausch-Verhältnis verringert sich.
Die beiden Bilder oben zeigen das Sendesignal des LVS-Geräts in einer relativ störfreien Umgebung. Kommen Interferenzen eines anderen elektronischen Geräts hinzu, sinkt das Signal-Rausch-Verhältnis noch weiter. Da Störspitzen das gewünschte LVS-Signal übertönen, sind die Signale nicht mehr unterscheidbar.
Kannst du den Unterschied zwischen dem LVS-Signal und den durch aktive Interferenzquellen verursachten Störspitzen in Abbildung 3 unten erkennen?
Auf dem obigen Bild ist es viel schwieriger, das LVS-Signal und die Interferenz zu unterscheiden. Dies sind die Informationen, die jedes LVS-Gerät verarbeiten muss.
Das Vorhandensein von Interferenzen kann zu einer verringerten Reichweite, einer geringeren Zuverlässigkeit der Richtungsanzeige und zu so genannten „Geistsignalen“ führen. Geistsignale treten auf, wenn Störspitzen einem echten Sende-/Empfangssignal ähneln, so dass der Prozessor sie als ein sendendes LVS-Gerät interpretiert. Diese Leistungsverschlechterung wird weiter verstärkt, wenn das Gerät am äußersten Ende seiner Reichweite angekommen ist.
Kurz gesagt: die Suche verlangsamt sich. Bei einer Lawinenrettung kann das Signal-Rausch-Verhältnis zu Beginn der Grobsuche, wenn ein erstes Signal erfasst werden soll, sehr gering sein, und jede Störung kann sich nachteilig auswirken. Zeit ist von entscheidender Bedeutung und die Uhr tickt!
Geistsignale und ungenaue Richtungspfeile können in die falsche Richtung leiten, wobei man wertvolle Zeit verliert. Eine verringerte Reichweite bedeutet, dass die suchende Person die Suchstreifenbreite reduzieren und näher an die verschüttete Person herankommen muss, bevor ein sie ein zuverlässiges Signal erhält.
Deswegen ist es besonders wichtig, die Anzahl der störenden Quellen zu reduzieren: Es kann Leben retten.
Die Hauptursache für elektromagnetische Interferenzen sind andere elektronische Geräte in unmittelbarer Nähe des suchenden LVS-Geräts. In diesem Fall ist Abstand die beste Lösung, denn die elektromagnetischen Interferenzen eines elektronischen Geräts nehmen exponentiell ab, je weiter es von deinem suchenden LVS-Gerät entfernt ist. Nach diesem Prinzip wurde die „20/50-Zentimeter-Regel“ entwickelt:
Wir können Interferenzen mindern, indem wir Störquellen in ausreichendem Abstand zum LVS-Gerät halten. Die 20/50-Zentimeter-Regel wurde branchenweit eingeführt, um daran zu erinnern, elektronische Geräte und andere Störquellen mindestens 20 cm von einem sendenden und 50 cm von einem suchenden LVS-Gerät entfernt zu halten.
Denke unbedingt an diese Regel und sorge dafür, dass auch deine Begleiter sie befolgen!
Wichtig ist allerdings, dass es sich um eine Richtlinie handelt, die keinesfalls garantiert, dass alle Interferenzen abgeschwächt werden. Es gibt viele Arten von Elektronik auf dem Markt, und einige verursachen selbst bei Entfernungen von mehr als 50 cm Störungen.
Da es nicht möglich ist, alle Kombinationen zu testen, hat sich das QA Lab in ihrer Studie auf die persönlichen elektronischen Geräte konzentriert, die man am häufigsten dabei hat. Der Schwerpunkt der Tests lag darauf, die Verringerung eines stabilen Signals (eine Kombination aus Reichweite und Zuverlässigkeit der Richtungspfeile) besser zu verstehen.
Der Testaufbau
Das Team fuhr zu den Bonneville Salt Flats westlich von Salt Lake City, um einen weitläufigen, offenen Platz zu finden, weit weg von allen möglichen städtischen elektromagnetischen Störquellen. Ein LVS-Gerät im Sendemodus wurde am Ende eines 100 m langen Maßbandes angebracht. Dann wurde langsam ein suchendes LVS-Gerät näher gebracht, bis ein stabiles Signal, sowohl für die Entfernung als auch für die Richtung, angezeigt wurde. Die Entfernung an diesem Punkt wurde aufgezeichnet.
In dem Test kamen verschiedene Elektronikgeräte zum Einsatz, darunter Smartwatches, GPS-Uhren, Smartphones, Funkgeräte, Action-Kameras, Satellitenkommunikationsgeräte, Rucksäcke mit elektronischen Airbags und sogar ein Schneemobil. Das suchende LVS-Gerät wurde mit Hilfe einer statischen Halterung in einem Abstand von 50 cm zum Oberkörper gehalten, um den richtigen Abstand einzuhalten. Jedes elektronische Gerät wurde dann wie unten beschrieben in eine normale Gebrauchsposition gebracht.
Ziel war es, festzustellen, wie schlimm ein Missachten der 20/50-Zentimeter-Regel sein könnte. Zu diesem Zweck wurden viele elektronische Geräte in einem geringeren Abstand als 50 cm gehalten (z. B. beheizte Handschuhe und Smartwatches). Jedes Gerät wurde drei Mal getestet und dann der Mittelwert aufgezeichnet. Anschließend haben wir die Verringerung der Reichweite im Vergleich zu einer Ausgangssituation berechnet, in der keine weiteren elektronischen Gegenstände vorhanden waren.
Wie man sieht, gab es eine große Bandbreite an Leistungseinbußen, abhängig von der Leistung der Geräte und der Nähe zum suchenden LVS-Gerät.
1.) Diese Geräte wurden einzeln getestet. Wahrscheinlich würde sich die Auswirkung von mehreren gleichzeitig verwendeten Geräten verstärken.
2.) Die Tests wurden mit einem einzigen Paar LVS-Geräte und einer zufälligen Auswahl von elektronischen Geräten durchgeführt. Sie repräsentieren nicht alle Geräte, die es auf dem Markt gibt. Persönliche elektronische Geräte werden in den nächsten Jahren noch leistungsfähiger werden.
Unsere Erkenntnis ist, dass elektromagnetische Interferenzen existieren und einen erheblichen Einfluss auf die Leistung von LVS-Geräten haben können. Und wir können nicht genug betonen, wie wichtig es ist, die Firmware von LVS-Geräten und elektronischen Lawinen-Airbags zu aktualisieren.
Ähnlich wie Apps auf dem Handy ständig aktualisiert werden, entwickeln auch die Hersteller von LVS-Geräten und Rücksäcken mit elektronischem Airbag ihre Firmware ständig weiter. Firmware-Updates können die Funktionen verbessern, die Batterielebensdauer verlängern, die Entstehung schädlicher Interferenzen reduzieren und die Verarbeitung von Störsignalen verbessern.
Daher ist es wichtig, die Firmware für diese Produkte auf dem neuesten Stand zu halten. Es ist einfach und kann häufig einfach über eine App auf dem Handy erledigt werden. Informationen zur Durchführung von Firmware-Updates findest du auf der Website des Herstellers.
Denke an elektromagnetische Interferenzen.
Sind elektromagnetische Interferenzen der wichtigste Faktor für deine Sicherheit im Gelände?
Störquellen minimieren
Weitere Feldstudien, Ergebnisse und Hinweise zum Thema Störquellen bei der Lawinenrettung: Jetzt in der aktuellen bergundsteigen #125.
Quelle: Pressemitteilung Black Diamond
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