Störquellen bei der Lawinenrettung
Einleitung und Problemstellung
Der Einfluss von elektronischen Störquellen auf LVS-Geräte wurde in den letzten zehn Jahren mehrfach untersucht (Barkhausen 2012; Genswein 2013; Meister & Dammert 2014; Forrer et al. 2018; Troeger et al. 2022). Bei vielen Anwender:innen besteht erfahrungsgemäß dennoch ein Wissensdefizit bezüglich Ursache und potenzieller Auswirkungen von Störquellen auf die LVS-Suche.
Lawinenairbags gibt es schon länger – elektronisch ausgelöste eigentlich auch; jetzt aber scheinen Hersteller vermehrt auf dieses System zu setzen. Aufgrund der Vorteile gegenüber mechanischen Kartuschen-Airbags – unter anderem mehrmaliges Auslösen mit einer Batterieladung – ist anzunehmen, dass auch die Nachfrage stark zunehmen wird.
Die Kehrseite solcher elektronischen Systeme ist, dass sie zugleich als Störquelle für den zentralen Gegenstand der persönlichen Notfallausrüstung – das LVS – fungieren können. Im vorliegenden Beitrag beleuchten wir insbesondere die Störwirkungen von elektronisch auslösbaren Lawinenrucksäcken sowie weiteren elektronischen Geräten detailliert in einem praxisnahen Feldtest und leiten Vorschläge für Handlungsempfehlungen für die Praxis ab.
Allgemeines zu Interferenz
Physikalische Grundlagen
Alle elektronischen und/oder magnetischen Quellen können mit Lawinenverschüttetensuchgeräten (LVS) interferieren. LVS-Geräte müssen laut der gültigen Norm auf einer Frequenz von 457 kHz +/-80 Hz senden (Abb. 1). Um Signale in großer Entfernung empfangen zu können, wird beim Suchgerät eine hohe Sensitivität benötigt. Zugleich bedingt diese eine geringere Toleranz gegenüber Interferenzen. Geräte mit hoher Empfangsreichweite sind also grundsätzlich anfälliger für Störwirkungen.
Wie kommt es dazu, dass bestimmte Gegenstände Störeffekte auf LVS-Geräte haben?
Es wird zwischen aktiven und passiven Störquellen unterschieden:
Aktiv.
Bei aktiven Störquellen in der Nähe wirkt sich elektromagnetische Aktivität auf die Leistung der Empfangseinheit aus. Wo Strom fließt, wird elektromagnetische Strahlung emittiert. Das entstehende Rauschen (Noise) kann das Signal eines LVS-Gerätes überlagern und eine verringerte Empfangsreichweite verursachen. Ein anderes Problem ist die Erzeugung von sog. falsch-positiven Signalen („Geistersignale“). Dabei detektieren digitale LVS-Geräte fälschlicherweise eine von Störquellen ausgegebene Emission als LVS-Signal.
Auch die Anzeige einer höheren oder geringeren Anzahl von Signalen, als tatsächlich vorhanden, gehört zu diesem Problemkreis. Beispiele für aktive Störquellen sind unter anderem Handys, Kameras, GPS-Uhren, Heizelemente oder Stirnlampen. Kurz: immer wenn auftretende Spannungen geregelt werden und Ströme fließen. Aber auch andere große Störquellen wie Hochspannungsleitungen, Schneekanonen oder Seilbahnanlagen können erhebliche Auswirkungen haben. Magnetische Gegenstände (z. B. Magnetknöpfe an Kleidung) können darüber hinaus die Antennen verstimmen.
Passiv.
Alle großen und kleinen metallischen Gegenstände – von der Lawinenschaufel bis hin zur Alufolie – können das Signal des sendenden Geräts, wenn in unmittelbarer Nähe platziert, abschirmen. Je größer der Gegenstand, desto stärker die potenzielle Abschirmung. Die physikalischen Hintergründe sind primär für die Hersteller (Ursachenbehebung!) von Relevanz, für die Nutzer:innen sind die Auswirkungen auf die Suche am wichtigsten.
Von zentraler Bedeutung für die Einordnung der hier dargestellten Ergebnisse in der LVS-Suche ist, dass die Amplitude der Interferenzwirkung mit der dritten Potenz zum Abstand zunimmt – eine Halbierung des Abstands führt zu einer Verachtfachung der Störwirkung oder eben andersrum zu einer deutlichen Reduktion!
Methodik
Bei der Erkennung und digitalen Verarbeitung von LVS-Signalen haben die verschiedenen Hersteller zum Teil unterschiedliche Herangehensweisen. Zum Zweck der Veranschaulichung unterschiedlicher Ausprägungen und Störungsgrade von Interferenzen führten wir unsere Testdurchläufe mit je einem Modell pro Herstellerfirma durch (Abb. 2). Bei der Testreihe zu den elektronischen Airbagsystemen untersuchten wir die Störwirkung anhand aller derzeit auf dem Markt befindlichen Rucksäcke, zum Teil in verschiedenen Software-Versionen (Abb. 3).
Für die Messungen trug die Testperson den Rucksack in herkömmlicher Position auf dem Rücken, das Airbagsystem war voll aufgeladen und aktiviert, sodass der Airbag ausgelöst werden konnte. Die Abstände zwischen LVS-Gerät und Störquelle wurden so gewählt, wie sie realistisch in der Praxis auftreten können. Der angegebene Abstand zum Lawinenrucksack bezieht sich auf die elektronische Haupteinheit (Motor, Kondensator etc.). Diese liegt bei vier von fünf getesteten Modellen im unteren Rückenbereich; beim Litric-System ist der Abstand der Elektronik bauartbedingt durch seine Lage im oberen Rückenbereich etwas größer (jeweils +10 cm).
- Position 1. Das LVS-Gerät wird nahe am Körper auf Bauchhöhe gehalten (Worst Case) –> gemessener Abstand 30 cm zur elektronischen Haupteinheit der Airbag-Rucksäcke (Litric +10 cm)
- Position 2. Das LVS-Gerät wird mit leicht ausgestrecktem – nicht überstrecktem – Arm gehalten (Normal Case) –> gemessener Abstand 50 cm (Litric +10 cm)
Zusätzlich haben wir den Störeinfluss folgender elektronischer Geräte auf LVS-Geräte untersucht:
- Smartphone
- GPS-Sportuhr mit laufendem Tracking
- Heizhandschuh
- digitales Funkgerät (aus dem Rettungsdienst)
Feldtests unterliegen naturgemäß Schwankungen. Die Messungen wurden auf einer großen, ebenen und weitestgehend störungsarmen Fläche durchgeführt. Geringe Abweichungen zwischen einzelnen Durchgängen sind zu erwarten, für die Hauptaussagen unserer Untersuchung jedoch nicht relevant.
Testszenarien
Um den Einfluss der Störquellen auf das Suchgerät zu untersuchen, wurden Testanordnungen zu den vom LVS-Gerät unmittelbar beeinflussten Suchphasen Signalsuche (Empfangsreichweite), Grobsuche und Feinsuche sowie zu einem Mehr-Personen-Verschüttungs-Szenario entworfen (Abb. 4). Pro Szenario gab es zunächst Referenzdurchgänge ohne Störeinflüsse.
Darauf folgten die eigentlichen Testdurchläufe, wobei Art und Position der Störquelle sowie Koppellage variiert wurden – in jeweils mehreren Durchgängen pro Testanordnung und Gerät-Störquellen-Kombination. Im Szenario Signalsuche wurden die maximalen Reichweiten, bei denen ein konstantes und stabiles Signal vorhanden war, in bester (x-Lage) und schlechtester (z-Lage) Koppellage gemessen.
Für die Grobsuche wurde insbesondere die qualitative Heranführung an den Sender betrachtet und festgehalten, ob irreführende Signale (einzelne oder mehrere) auftraten. Dafür wurde ein Sender mit 20 m seitlichem Versatz zur Annäherungslinie positioniert. Der Testaufbau für die Mehr-Personen-Verschüttung und Feinsuche wurde in einem Szenario zusammengefasst.
Auf einer Geraden befanden sich zwei Sender in einem Abstand von 15 m – jeweils mit einer Verschüttungstiefe von einem Meter. Der erste Sender befand sich in koaxialer Lage (x-Lage), der zweite in y-Lage zum Suchgerät. Auch die Einflüsse der elektronischen Störquellen auf das Sendegerät wurden überprüft, dabei fungierte jedes der oben genannten LVS-Geräte als Sender. Um den Worst Case abzubilden, wurden die Störquellen direkt auf dem Sendegerät platziert.
Ergebnisse
Mit dieser Feldstudie der DAV-Sicherheitsforschung wurde der Einfluss von elektronischen Lawinenairbags sowie weiteren Störquellen auf LVS-Geräte untersucht und quantifiziert.
Allgemeines
In bestimmten Konstellationen fanden wir kaum bzw. vernachlässigbare Auswirkungen von Störquellen auf die LVS-Performance:
- Feinsuche. In der Feinsuche war in unserem Szenario mit keinem der getesteten elektronischen Geräte eine merkliche Störwirkung auf die LVS-Geräte erkennbar. Als Erklärung hierfür dient in erster Linie der erhöhte Abstand zwischen LVS und Position der Störquelle in der Feinsuche (nahe Boden); zum anderen ist die Amplitude des per Definition sehr nahen Senders (<2–3m) so groß, dass eine einwandfreie Detektion des Signals („Flankenerkennung“) gewährleistet sein sollte. Dennoch können auch hier in denkbaren Konstellationen Überlagerungen stattfinden, die ein exaktes Einkreuzen erschweren.
- Einfluss auf den Sender. Durch die leicht unterschiedlichen Sendeleistungen der jeweiligen Geräte unterscheiden sich die Reichweiten bei gleichem Suchgerät in geringem Ausmaß. In unseren Versuchen konnte bei keinem LVS-Gerät in der Nähe der Airbagsysteme eine merkliche Reduktion der Sendeleistung und somit der primär senderabhängigen Reichweite von mehr als 10 % festgestellt werden.
- Bei den sonstigen Störquellen konnte nur beim Handy ein deutlicher Einfluss auf die Sendeleistung und somit eine Reduktion der Empfangsreichweite von bis zu 41 % festgestellt werden; dies auch nur im nicht empfohlenen Abstand von unter 20 cm.
Elektronische Airbagrucksäcke
Im Folgenden gehen wir auf die einzelnen elektronischen Airbagsysteme und deren Einflüsse auf die LVS-Suche in den unterschiedlichen Szenarien ein. Zur Übersicht und besseren Vergleichbarkeit des Einflusses der Airbagsysteme auf die Empfangsreichweite der exemplarisch getesteten LVS-Geräte sind die Ergebnisse in Diagrammform weiter unten dargestellt.
Alpride
Die mit Kondensator (für die Energiebereitstellung) ausgestatteten Alpride-Systeme aus der Schweiz sind in Rucksäcken einiger anderer Hersteller verbaut. Das E1-System ist die erste Version des elektronischen Airbagsystems, das E2-System, das neuere, überarbeitete Modell. Für beide Systeme wurden bereits Updates herausgegeben mit dem Ziel, Interferenzen zu verringern. Getestet wurden von uns jeweils die Rucksäcke mit der letztverfügbaren Software (Stand Januar 23).
E1.
Sowohl beim E1 als auch beim E2 zeigt eine periodisch blinkende LED den Ladezustand an. Mit dem Softwareupdate wurde beim E1-System deren Intervall von 3 Sekunden auf 10 Sekunden erhöht. Die im Hintergrund laufende Ladespannungsregelung der LED verursacht teilweise im selben Takt Störungen. Das äußert sich bei einigen LVS-Geräten in kurzen Falsch-Positiven mit angezeigtem Zwischenpuls, Richtungsänderung, zusätzlich angezeigtem Verschütteten oder kurzen Signalaussetzern eines bereits erfassten Signals.
Der Ablauf der Grobsuche wird durch das höhere Intervall (10 Sek.) weniger gestört. Ohne Update (Intervall 3 Sek.) kann dieser Umstand durchaus problematisch sein. Ein erhöhtes Rausch-level der Elektronik beim E1 macht sich vor allem in Position 1 (Abstand 30 cm) bemerkbar; die Reichweite des stabilen Signalempfangs bei den meisten LVS-Geräten wurde zudem teilweise um bis zu 35 % verringert. In Position 2 (50 cm Abstand) war die Reduktion der Reichweite nur noch gering. Im MPV-Szenario machten sich die periodischen Störpulse durch Anzeigen eines dritten Signals beim Barryvox bemerkbar; beim Diract Voice war die Heranführung an den 2. Sender von einem schwankenden Richtungspfeil geprägt.
E2.
Auch beim E2-System blinkt die LED alle 10 Sekunden, was Einzelpulse oder kurze Aussetzer eines bereits detektierten Signals zur Folge hatte. Beim E2 ist die Störwirkung gegenüber dem Vorgänger E1 dennoch deutlich reduziert – in beiden geprüften LVS-Positionen konnten nur sehr wenige relevante Störungen in der Grobsuche sowie der MPV festgestellt werden.
Auch die Reichweitenreduktion war in beiden Positionen vernachlässigbar.
Pieps/Black Diamond Jetforce BT Pro
Das Jetforce-System von Pieps ist als elektronisches Airbagsystem am längsten auf dem Markt und das einzige, das von einem großen Akku gespeist wird. Außerdem ist das System bereits seit einiger Zeit bluetooth- und somit über die Pieps-App updatefähig und wird in Lawinenrucksäcken von Pieps und Black Diamond verbaut. Nach dem ersten Bekanntwerden der Interferenzproblematik versprach der Hersteller Besserung und nahm sich des Themas mit der erschienenen Software 2.0 im Sommer 22 an.
Viele Nutzer in unserem Umfeld waren sich der Updatefähigkeit nicht bewusst – somit testeten wir zwei Exemplare mit der Softwareversion 1.7 sowie das vom Hersteller zur Verfügung gestellte System mit Software 2.1 (Stand Januar 23). Es ist zu erwarten, dass alle Versionen 1.x vergleichbare Ergebnisse zu der getesteten Version 1.7 erzielen würden.
Jetforce 1.7.
Der Jetforce BT Pro mit Software 1.7 verursachte zum Teil beträchtliche Reduktionen der stabilen Empfangsreichweite. Im Abstand von 30 cm (Pos. 1) war ein stabiler Erstempfang bei allen LVS-Geräten in koaxialer (x-)Lage erst bei rund der Hälfte der Reichweite des Referenzdurchgangs stabil möglich. In z-Lage wurden diese Reduktionen noch größer – die Empfangsreichweite landete teilweise im einstelligen Bereich! Die Reduktionen verringerten sich zwar in Position 2 (Abstand 50 cm), waren aber immer noch merklich.
Mit dem Jetforce BT 1.7 war die Grobsuche bei allen LVS-Geräten von erheblichen Störungen geprägt. In Position 1 gab es bei jedem der untersuchten LVS-Geräte Durchgänge, bei denen ein Signal erst bei einem parallelen Versatz von unter 10 m gefunden werden konnte. Sofern einmal ein früheres Signal vorhanden war, war die Heranführung vor allem im Fernbereich deutlich beeinträchtigt – der Suchende wurde oftmals in Schlangenlinien und/oder im Kreis geführt und die Heranführung war von Signalverlusten geprägt.
Beim Diract Voice wurde außerdem ein dauerhaftes Stör- signal mit Anzeigewert 27 und Pfeil nach rechts (zur Elektronik- einheit) angezeigt. Bei allen LVS-Geräten war im MPV-Szenario der zweite Sender erst nach dem Markieren des ersten erkennbar, bei manchen Durchgängen erst unmittelbar vor Sender 2 (<10 m). In Position 2 (Abstand 50 cm) waren die Auswirkungen geringer, aber teilweise immer noch gravierend. Es gab Durchgänge mit erst spät verfolgbaren Signalen sowie Heranführungen bei der Grobsuche, die geprägt waren von starken Sprüngen des Richtungspfeils.
Jetforce 2.1.
Das Softwareupdate des Jetforce zeigte in allen Bereichen eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Störwirkung. Unser erster vom Hersteller gestellter Testrucksack offenbarte jedoch enorme Störwirkung auf das Pieps Pro BT. Nach Überprüfung durch den Hersteller wurde von diesem ein defekter DC-Switch als Ursache identifiziert.
Nach internen Untersuchungen wurde vom Hersteller zugesichert, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieses fehlerhaften Bauteils sehr gering sei und in Zukunft alle Jetforce-Systeme einer zusätzlichen Überprüfung desselben unterzogen würden. Mit einem neuen Exemplar wurden die Tests deshalb wiederholt.
Besitzer:innen von Jetforce-BT-Systemen sollten diese unbedingt mit der Pieps-App koppeln und die aktuelle Software (2.2, Stand Oktober 2023) aufspielen. Auch bei den Alpride-Systemen kann die aktuelle Software unter alpride.com heruntergeladen werden. Allgemein verringern beide aktuellen Updates die Störwirkung bereits erheblich; zukünftige Updates könnten weitere Fortschritte bringen.
Die Ergebnisse im Detail: Die maximale Reichweite verringerte sich in x-Lage bei fast allen LVS-Geräten in Position 1 um etwa 10 % – bei größerem Abstand war die Reichweitenreduktion noch geringer. In z-Lage zeigte vor allem das Barryvox S Einbußen bei der Signalsuche, aber auch beim Tracker und Neo BT Pro war die Reichweitenreduktion bei geringem Abstand Rucksack-LVS (Pos. 1) deutlich.
In der Grobsuche war der etwas verspätete Signalempfang merklich, eine leicht indirekte Heranführung beim Neo BT Pro sowie Diract Voice auffallend (hin und her springender Richtungspfeil). Eine geringfügig verspätete Signalerkennung im MPV-Szenario trat ebenfalls auf. Ansonsten war die Grobsuche ohne weitere Auffälligkeiten durchführbar.
Ortovox/Arcteryx Litric
Beim neuen Kondensator-System Litric von Ortovox und Arcteryx gab es kurz nach der Markteinführung zu Beginn der Saison 2022/23 ein technisches Problem mit Auswirkungen auf die Gebläseeinheit, was einen Rückruf zur Folge hatte. Diesen Winter soll schließlich der Relaunch erfolgen. Kurz und knapp: In allen Szenarien waren die Auswirkungen des Litric-Systems auf die untersuchten LVS-Geräte gering.
Einfluss der elektronischen Airbagsysteme auf die Empfangsreichweite verschiedener LVS-Geräte.
Ergebnisse sonstiger Störquellen auf das suchende LVS
- Handy. Ein eingeschaltetes Smartphone mit vorhandenem Signalempfang wurde in der Jackentasche auf Bauchhöhe verstaut. In Position 1 war das LVS nahe am Körper nur wenige Zentimeter vom Handy entfernt (siehe Abb. 5), in Position 2 betrug der gemessene Abstand 25 cm. Bei der Grobsuche war in Position 1 eine Heranführung nicht möglich, in Position 2 (25 cm) war diese zwar möglich, allerdings mit spätem Signalempfang und teilweise mit Aussetzern. Die Reduktion der Empfangsreichweite in koaxialer (x-)Lage:
- GPS-Uhr. Ein im Bergsport gängiges Garmin-Fenix-Modell mit laufendem GPS-Tracking wurde an derselben Hand getragen, mit der auch das LVS gehalten wurde. Die Reichweitenreduktion war bereits merklich (Abb. 6); gravierender noch waren die Einflüsse aber in der Grobsuche: Neo BT Pro, Tracker 4 und Diract Voice zeigten unabhängig von der Distanz zum Sender dauerhaft falsch-positive Signale an. Wurde das LVS-Gerät in der der Uhr gegenüberliegenden Hand getragen (Abstand >50 cm), waren die Auswirkungen bei allen LVS und Testszenarien sowie Suchphasen nur noch gering.
- Funk. Ein Digitalfunk, wie er auch bei Bergrettungsorganisationen verwendet wird, wurde in einem dafür üblichen Trageholster verstaut. Der Abstand zum suchenden LVS betrug 10 cm in Position 1 und 30 cm in Position 2. Bei allen Geräten verringerte sich die Reichweite des Signalempfangs in Position 1 massiv. In der Grobsuche war keine Heranführung möglich. Im Abstand von 30 cm (Pos. 2) betrug die Reichweitenreduktion noch rund 30 %. Beim Barryvox S und Neo BT Pro war die Grobsuche stark gestört, beim Tracker 4 gar nicht erst möglich und die MPV-Erkennung allgemein verspätet (Abb. 7).
Heizhandschuh. Das von uns verwendete Heizhandschuh-Modell zeigte in den Tests nur geringfügige Auswirkungen auf die LVS-Suche. In einer von der Uni Innsbruck und Bergrettung Tirol vorgestellten Studie waren die Auswirkungen von anderen Modellen jedoch erheblich (Troeger et al. 2022). Das Problem liegt vor allem beim Drahtgeflecht von Heizelementen, das eine abschiermende und auch magnetisch verstimmende Wirkung haben kann. Insbesondere bei der Suche sollten Heizelemente deshalb besser von LVS-Geräten ferngehalten werden.
Störquellenanzeige auf dem LVS-Display
Der Hinweis auf mögliche Interferenzen wird mittlerweile auch präsenter in den Gebrauchsanleitungen (von elektronischen Airbagsystemen wie auch LVS-Geräten) angeführt. Einige LVS-Hersteller (Ortovox, Mammut, Arva, Pieps beim IPS) warnen die Nutzer*innen auf dem Display aktiv (Abb. 8), wenn Störquellen in der Nähe sind und empfehlen in dem Fall eine reduzierte Suchstreifenbreite von maximal 20 m.
Visuelle Hinweise auf dem Display zu Störquellen in der Nähe sind hilfreich, funktionieren aber nicht immer und können unter Umständen leicht übersehen werden. Bei Annäherung mit manchen elektronischen Geräten wurde zum Teil keine Warnung ausgegeben. Auf Softwareebene liegt im Hintergrund nämlich ein Noise-Level-Grenzwert. Das Problematische dabei: Auch nicht detektierte Störungen zeigten in unserem Test Auswirkungen auf die Suche.
Wichtig!
Kritische Interferenzsituationen treten in verschiedensten Konstellationen auf und sind häufig schwer vorhersagbar. Manchmal wirken sich selbst Störquellen gleichen Typs oder in unterschiedlichen Modi oder Ladespannungen anderweitig aus. Die hier vorgestellte Untersuchung besitzt deshalb eher Hinweischarakter und zeigt einen potenziellen Querschnitt der Problematik auf.
Wir beschränken uns daher auf recht allgemein gehaltene Empfehlungen, können auch keine expliziten Störquellen aufgrund einzelner Ergebnisse als störungsarm bezeichnen – in der Praxis gehen Anwender besser von stärkerer als weniger starker Interferenzwirkung aus!
EMV-Messungen und Interferenz-Sonderfälle
Auch im Normungsgremium für die Lawinenairbag-Norm (EN 16716) gibt es Bestrebungen, die Interferenzthematik in die Überarbeitung der Norm mit aufzunehmen. Die Problematik und Testanforderungen sind jedoch komplex. Die Identifikation möglichst vieler Trigger von falsch-positiven Signalen bleibt zumindest mittelfristig eine Sisyphusarbeit.
Als Ergänzung zu unserem Test ließen wir die elektronischen Lawinenrucksäcke deshalb explorativ in einem EMV-Labor (elektromagnetische Verträglichkeit) des TÜV untersuchen. Einerseits, um die Emissionsproblematik selbst besser zu verstehen und andererseits, um die Hersteller noch stärker zu sensibilisieren.
In den Messreihen zur elektromagnetischen Emission im Frequenzbereich 9 kHz bis 30 MHz ließ sich erkennen, dass neben erhöhten Emissionspegeln auch durch Elektronik emittierte Pulse harmonische Oberschwingungen verursachen können, die dann möglicherweise im Bereich der LVS-Frequenz von 457 kHz Störungen bei der Suche bewirken (Abb. 9).
Weitere Labortests zum Thema wurden im Anschluss auch von Arva in Frankreich durchgeführt, deren erste Erkenntnisse ein weiteres mögliches Problem aufzeigten: Recharge-Mode: Die mit Kondensator betriebenen Airbagsysteme (Alpride, Litric) werden durch kleine Zusatzbatterien geladen gehalten. Nach einer erfolgten Auslösung muss der Kondensator dann wieder vollständig aufgeladen werden.
Der Vorgang dauert je nach Hersteller, Batterie, Temperatur etc. ca. 25 bzw. 40 bis 80 min. Dieser Recharge-Mode wurde in unserem Feldtest nicht explizit untersucht, der dabei auftretende Energiebedarf führt laut diesen Testergebnissen beim Alpride System zu einer erhöhten Störwirkung.
Auslösung Airbag. Durch die Auslösung eines elektronischen Airbags und die damit einhergehende hohe Emission elektromagnetischer Strahlung ist dieser Moment grundsätzlich ein besonders störungsreicher für LVS-Geräte. Bei den Kondensator-Systemen (Alpride, Litric) entspricht das erst mal nur der Dauer des einmaligen Aufblasens; das Jetforce System bläst einige Male Luft nach und saugt diese nach 3 Minuten wieder ein.
Falls es zu einem Auslösevorgang kommt und darauffolgend ein Suchvorgang gestartet wird, ist es unserer Einschätzung nach wichtig, dass die suchende Person den Vorgang des Auf- bzw. Abblasens durch Betätigen des Knopfes am Auslösegriff des Jetforce abbricht.
Selbst ausprobieren für zu Hause
- Für Gruppen (ab 2 Pers.): Platziere auf einem freien Feld zwei LVS (Such- und Sendegerät) bspw. 30 m entfernt. Nähere dich mit einer Störquelle dem Sende- und/oder Suchgerät und achte auf Änderungen in den Anzeigewerten, Signalverluste o. Ä.
- Nimm ein analoges LVS-Gerät (oder neue mit Analogtonmodus) und stelle die Sensitivität auf hoch. Variiere den Abstand vermuteter Störquellen zum Gerät. Achte auf hörbare Unterschiede.
- Achtung! Derartige eigene Tests dienen der Veranschaulichung, können im Ernstfall jedoch keine Störwirkung garantiert vorhersagen!
Zusammenfassung & Diskussion
Störeinflüsse von externen Quellen wirken sich auf die Empfangs- und in geringerem Maße auch auf die Sendeleistung von LVS-Geräten aus. Die gravierendsten Auswirkungen auf suchende Geräte sind:
- falsch-positive Signale
- reduzierte Empfangsreichweite
- Signalverluste und Signalaussetzer
- irreführende Distanz- und/oder Richtungsanzeigen
Der Airbag ist unserer Einschätzung nach eine wichtige und empfehlenswerte optionale Schutzausrüstung im freien Gelände im Winter. Infolge der Untersuchungsergebnisse der elektronischen Airbagsysteme liegt der Schluss nahe, dass es technisch möglich ist, diese so zu gestalten, dass LVS-Geräte in keiner der Suchphasen merkbar gestört werden. Wir halten es für notwendig, dass Störeinflüsse dieser Systeme auch unterhalb des allgemein etablierten Grenzwerts von 50 cm Abstand zum LVS-Gerät so weit reduziert werden, dass es keinerlei Auswirkungen auf die Suche mit LVS-Geräten gibt.
Auch alle zukünftigen Softwareupdates müssen von den Herstellern immer wieder neu im Hinblick auf deren mögliche Interferenzwirkungen auf alle gängigen LVS-Geräte untersucht werden. Eine mögliche Ursache für die Gerätebeeinträchtigung könnte auch in der hohen Sensitivität der LVS-Geräte gesucht werden. Sicherlich stellt die zu erwartende steigende Anzahl elektronischer Störquellen (Wireless Geräte, Kameras, Kommunikationsgeräte, Kopfhörer usw.) in (naher) Zukunft eine Herausforderung für die LVS-Geräte-Hersteller dar.
Ein Teil der Aufklärungspflicht (aber nicht die ausschließliche!) hinsichtlich der Interferenzproblematik liegt auch bei den alpinen Vereinen sowie Verantwortlichen und Kursleitungen von Sektionen und Bergschulen. Und nicht zuletzt sollten Anwender spätestens nach der Lektüre dieser Zeilen ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Thematik entwickelt haben und diese in ihre Gruppencheck- und Suchroutine integrieren.
Interferenz: Checkliste, Vorschläge, Empfehlungen
Alle Hersteller von LVS-Geräten schreiben in ihren Gebrauchsanleitungen die sog. 20/50-Regel vor:
- mindestens 20 cm (Handlänge) beim Senden
- mindestens 50 cm (Armlänge) beim Suchen
Manche Hersteller (u. a. Ortovox, Mammut, Arva mit Ausnahmen) empfehlen, elektronische Geräte generell bei der Suche auszuschalten.
Noch weitergehende Maßnahmen empfehlen u. a. ICAR, AIARE:
- Check der elektronischen Geräte (Wo ist was?) sowie 20/50-Regel als zusätzliche Routine des obligatorischen Gruppenchecks am Beginn der Tour
- Verringern der Suchstreifenbreite auf max. 20 m, wenn Störeinflüsse durch Abstandsregel nicht eingedämmt werden können
Checks vor dem Losgehen/Sendemodus:
- Stelle im Sendemodus 20 cm Abstand zu Störquellen her. Achte darauf, keine magnetischen (Verschlüsse) oder metallischen Gegenstände (Jacken mit Folien, auch Heizelemente) in die direkte Nähe des LVS-Geräts zu bringen.
Beispiel: Handy in die am weitesten entfernte Hosentasche oder den Rucksack.
- Vergewissere dich, welche potenziellen Störquellen du dabeihast und was du im Ernstfall damit zu tun hast.
- Sprecht das Thema in eurer Gruppe an, macht euch die Störquellenproblematik noch einmal bewusst.
Vorschlag Integration Gruppencheck: Die gecheckten Personen legen dabei die eine Hand aufs LVS-Gerät, die andere auf das Handy – sind die Hände 20 cm voneinander entfernt?
Umgang mit Störungen in störreicher Umgebung (falls Abstand zu keiner Verbesserung führt):
- Suchstreifenbreite auf max. 20 m verringern
- Analogtonmodus (Maßnahme nur für Geübte): Ein erhöhter Störpegel (Noise) sowie falsch-positive Signale (durch die digitale Signalverarbeitung) können durch ein geschultes menschliches Gehör von echten Signalen unterschieden werden (aktuell möglich bei Mammut Barryvox S, Arva Neo BT Pro, Pieps Pro BT).
Aktionen im Falle einer Verschüttung/Suchmodus:
Keine Aktion ist keine Option – Elektronik in der Nähe stört die Suche, daher:
- Bei mehreren Nicht-Verschütteten: Handy übergeben an eine Person, die nicht sucht. Wenn sich die notrufabsetzende Person außerhalb der Ruf- und Sichtweite der suchenden Person befindet, Handy ausschalten. Beachte: Mit eingeschalteten Geräten in vorderen Hosen- oder Jackentaschen kann der notwendige Mindestabstand von 50 cm zum LVS durch Bewegung auf dem Lawinenkegel definitiv nicht eingehalten werden! Auch im Flugmodus kann das Handy maßgeblich stören und das Verstauen im Rucksack ist nur die drittbeste Variante!
- Andere, nicht benötigte elektronische Geräte bestenfalls ausschalten. Ist dies nicht ohne großen Zeitverlust möglich, mindestens 50 cm entfernt vom LVS-Gerät verstauen. Keine Funktionsuhren an dem Arm, der das LVS- Gerät hält! Auch Heizhandschuhe können stören und müssen deshalb für die Suche abgelegt werden.
- Bei mehreren Personen in der Gruppe (mehr Suchen-de als Verschüttete) den Notruf delegieren. Dabei ist ein Mindestabstand von 10 m zum Suchenden empfehlenswert.
LVS-Suche mit getragenem elektronischen Airbag:
Aktuellstes Softwareupdate installieren!
Arm strecken, Abstand >50cm von LVS-Gerät zu Rucksack herstellen.
Im Sonderfall Airbagauslösung beim Suchenden: Läuft das Jetforce System noch, dieses stoppen. Während des Wiederaufladens des Kondensators beim Alpride System tritt eine erhöhte Emission und somit potenzielle Störwirkung auf.
Literatur
- Barkhausen, J. (2012). The effect of external interference on avalanche transceiver functionality. In: Proceedings of the 2012 International Snow Science Workshop, S. 348-352.
- Forrer, D., Müller, K., Dammert, I., & AG, C. A. (2018). The effect of communication equipment on avalanche transceivers. In. Proceedings of the 2014 International Snow Science Workshop, S. 1588-1595.
- Genswein, M. et al. (2013). Recommendation on how avoid Interference Issues in companion and organized avalanche rescue. In: Proceedings of the 2013 International Snow Science Workshop, S. 1402-1410.
- Meister, E., & Dammert, I. (2014). The effect of consumer electronics on avalanche transceivers. In Proceedings of the 2014 International Snow Science Workshop, S. 1134-1139.
- Troeger, W., Isser, M., Lengerer, T., Wiedermann, F. J., & Lederer, W. (2022). Electromagnetic Interference from Heated Gloves May Compromise Avalanche Transceiver Function. In: Wilderness & Environmental Medicine 33(4), S. 422-428.