Der Beginn unserer Ersten-Hilfe-Serie von Philipp Dahlmann beschäftigt sich mit den ersten 5 Minuten bei der Versorgung von Verletzten. Gelingt uns ein guter, strukturierter Einstieg, ist es unerheblich, ob es sich um eine Bagatellverletzung oder eben einen wirklichen alpinen Notfall handelt. Hat man einmal diese erste entscheidende Phase gut absolviert, ist alles Weitere wesentlich leichter und ergibt sich beinahe von selbst.
Egal ob beim Wandern oder Klettern. Es kann uns passieren, dass wir eine Person auffinden – evtl. im abschüssigen Gelände liegend – ohne zu wissen was genau geschehen ist. Im Folgenden das Vorgehen, wie ein solches Szenario abgearbeitet werden kann:
1. Ausgangslage: Ersthelfer nähert sich der Verunfallten Person
Abb. 1: Eine Person liegt reglos auf einem Steig und ich komme als Ersthelfer von unten zum Unfallort.
2. Überblick verschaffen
Abb. 2: Ich komme näher und verschaffe mir schon im Hingehen einen Überblick über die Situation. Grundsatz: 10 Seconds for 10 Minutes, d.h. ich investiere etwas Zeit, um mich mit der Situation vertraut zu machen, um dann die richtigen Maßnahmen zu setzen: Ist die Umgebung sicher oder drohen noch Gefahren? Was kann passiert sein? Ist sie auf dem Steig gestolpert und ein paar Meter abgestürzt. Kommt noch etwas von oben, liegen lose Steine oberhalb? Nein, keine weiteren Gefahren. Da keine weitere Gefahr droht, kann ich hingehen ohne mich oder sie zu gefährden.
3. Hingehen, Ansprechen, Notruf.
Abb. 3: Am Weg zur gestürzten Person spreche ich sie schon an: „Hallo, was ist passiert!“ Sie reagiert, indem sie die Hand hebt – ich bin schon einmal etwas erleichtert. Ich setze sofort einen kurzen Notruf (112) ab.
4. Notruf mit Freisprecheinrichtung
Abb. 4: Damit ich die Hände frei habe und gleichzeitig arbeiten kann, verwende ich ein kleines Headset als Freisprecheinrichtung. Kurz informiere ich die Leitstelle über: Wo? Was? Und dass ich weiterhin erreichbar bin; das Mobiltelefon kommt in eine Tasche, ein Kopfhörer bleibt eingestöpselt.
5. 3-A Regel: Ansehen, Ansprechen, Anfassen
Abb. 5: Ich gehe nahe hin und fasse sie vorsichtig an, dabei spreche ich sie auch noch einmal an: „Hallo, was ist passiert?“ Dabei verschaffe ich mir einen Ersteindruck: Sie hat keine offensichtlich stark blutende Wunde. Sie ist durch den Sturz sichtlich eingeschränkt, sonst wäre sie nicht in einer so unbequemen Lage geblieben.
6. A-B-C-Schema
Abb. 6: A = Atemwege. Ich checke entsprechend dem A-B-C-Schema (Airway/Atemwege-Breathing- Circulation/Kreislauf) zuerst die Atemwege: „Kriegst du Luft?“ „Kannst du tief einatmen?“ Da sie die Fragen mit „Ja“ beantwortet und selbständig den Mund öffnen kann, schaue ich hinein und kontrolliere, ob der Mundraum frei ist.
7. Check der Verletzungen
Abb. 7: Nachdem die Atmung und das Bewusstsein gut sind, taste ich den Körper nach Verletzungen ab und schaue noch einmal genau nach. Ich drücke dabei vorsichtig auf knöcherne Strukturen und achte, ob sie reagiert: „Tut das weh?“Abb. 7b Check Verletzungen: BauchgegendAbb. 7c Check Verletzungen: Oberschenkel: Ich taste, ob der Bauch und die Muskulatur weich sind? Sind sie hart oder angespannt, muss dies als Alarmzeichen gewertet werden (Einblutung).
Erster Status:
„A“: Atemwege sind frei! (Achtung: Falls sie bewusstlos wird, kann der Atemweg sehr schnell blockiert werden). Aufgrund des mutmaßlichen Unfallhergangs muss ich aber achtsam bleiben und mit Problemen rechnen.
„B“: Breathing, d.h. Atmung; Atemfrequenz/-tiefe/-Rhythmus ausreichend, derzeit keine Probleme
„C“ Mit Circulation/Kreislauf habe ich momentan keinen Handlungsbedarf – das kann sich aber ändern.
Allgemein handelt es sich aber um eine „kritische Patientin“, die notärztliche Versorgung und einen schnellen Transport in die Klinik benötigt!
Ich rufe neuerlich in der Leitstelle an, um den Status bzw. die gewonnenen Informationen durchzugeben.
8. Lagerung
Abb. 8: Lagerung alleine: Bin ich alleine, lasse ich die Verletzte so liegen und versuche, sie nur unterstützend zu lagern. Ich bleibe bei ihr und mache laufend einen ABC-Check. Ich versuche, mit ihr laufend in Kontakt zu bleiben, um so sofort mitzubekommen, falls sich ihr Zustand verschlechtert.
9. Szenario: 2 Ersthelfer
Abb. 9: Annäherung andere(r) Person(en): Kommen eine oder mehrere andere Personen dazu, achte ich auf eine gefahrenbewusste Annäherung dieser, sodass keine Steine losgetreten werden oder dieser auch noch stolpert und stürzt.Abb. 10: Stehen zwei Ersthelfer zur Verfügung, kommt es darauf an, dass es eine gute Kommunikation zur Situation und zu den zu treffenden Maßnahmen gibt. Folgende Schritte sind zu machen: Erste-Hilfe-Ausrüstung und Bekleidung für den Wärmeschutz auspacken Platz für Lagerung vorbereiten Rucksack der Verunfallten abnehmenAbb. 11a: Gemeinsam und gut koordiniert führen wir eine achsengerechte Lagerung bzw. Drehung auf den Rücken durch. Die Rucksäcke verwenden wir zur Unterstützung bzw. für eine möglichst bequeme Lagerung.Abb. 11b: Die Rucksäcke verwenden wir zur Unterstützung bzw. für eine möglichst bequeme Lagerung.
Neuerlicher Status
Ansprechen
„A“: Check der Atemwege
Untersuchung des Kopfes: vorsichtig tasten und dann schauen, ob sich auf den Handschuhen Blut befindet. Besondere Aufmerksamkeit auf Ohren, Mund und Nase richten! Ein Helfer stabilisiert dabei immer den Kopf.
Check von Brustkorb: Atemfrequenz und Atemqualität
Check des Bauchraums: Ist der Bauch weich? Gibt es Blutungen (Check der Handschuhe)?
Check der knöchernen Strukturen, v.a. der Oberschenkel
Beweglichkeit der Füße (links, rechts) checken.
Checken, ob Verunfallte Druck mit Füßen und Händen ausüben kann (gegen meine Hand).
Laufend kommunizieren wir untereinander bzw. auch mit der Verunfallten.