Nachgefragt bei Lukas Furtenbach
Zwei Sherpas pro Kunde, Sauerstoff, so viel jeder möchte, mit dem Auto ins komfortable Basecamp inkl. Infrarotkabine und das zum teuersten Preis auf dem Markt. Was soll das Ganze? Marketinggag oder Gelddruckmaschine?
Ganz einfach: weder noch! Sondern maximal mögliche Sicherheit bei hohem Komfort mit den besten Chancen den Gipfel zu erreichen und wieder gesund herunterzukommen.
Wenn eine Everest-Besteigung mit den üblichen 2-4 l/min. Sauerstoff schon so ist wie die Tour de France mit dem Moped zu fahren, warum schickst du deine Kunden mit einem 6-8 l Motorrad ins Rennen?
Wir sind genauso mit niederen Flussraten unterwegs, nur haben wir genug Sauerstoff zur Verfügung, sodass wir bei Bedarf – sei es aufgrund einer steilen Stelle, um einen Stau zu vermeiden, aufgrund eines physiologischen Problems eines Teilnehmers oder in einem Notfall – mehr verbrauchen können. Es gibt nur ein „mit oder ohne Sauerstoff“ und der Gedanke einer Limitierung ist für mich nicht plausibel nachvollziehbar– außer man muss Geld sparen.
Und als nächstes? Höhenlager-Versorgung mit Drohnen, oder was?
Hm, darüber denken wir seit zwei Jahren nach, insbesondere für Notsituationen, um wichtiges Material, wie z.B. Sauerstoff, Kommunikationsmittel oder Medikamente, schnell und ohne dafür ein Menschenleben riskieren zu müssen, vor Ort zu bringen. Gerade beim Höhenbergsteigen kommt es immer wieder vor, dass Bergsteiger in einer Notlage festsitzen und auf externe Hilfe angewiesen sind. Das bedeutet, dass Helikopter und entsprechende Rettungsmannschaften organisiert werden müssen – mit den dazugehörigen Risiken. Eine Drohne kann auch noch bei so schlechten Sichtverhältnissen starten, wo für den Helikopter Schluss ist, und ein Verlust ist ein unbedeutender materieller Schaden.
Die altgedienten Himalaya- bzw. Everestveteranen – von Russell Brice über Ralf Dujmovits bis Peter Habeler – waren schon auf den hohen Bergen der Welt unterwegs, als du noch in der Sandkiste gespielt hast. Wie kommst du dazu zu glauben, dass du besser weißt, wie das funktioniert? Du bist ja nicht einmal Bergführer.
Stimmt, und ich habe auch den höchsten Respekt vor diesen alpinen Persönlichkeiten und ihren Pionierleistungen. Nachdem ich aufgehört habe, Sandburgen zu bauen, bin ich ihren Fußstapfen gefolgt, aber irgendwann abgebogen und habe probiert, meinen eigenen Weg zu finden. Die in der Sandkiste angeeigneten Fähigkeiten bezüglich Kreativität und Hartnäckigkeit habe ich bis heute nicht ablegen können. Es macht mir Freude zu sehen, dass in das klassische und besonders kommerzielle Expeditionsbergsteigen seit Langem endlich wieder Bewegung kommt, und ich habe das Gefühl, hier entwickelt sich etwas weiter.
IVBV-Bergführer bin ich nicht, ich kenne aber auch keinen Formel-1-Piloten, der EU-Fahrlehrer ist. Für unsere Kunden engagiere ich selbstverständlich die besten Bergführer und die finde ich im Alpenraum – auch wenn dort in den meisten Ländern Expeditionsbergsteigen und Führen in großen Höhen nicht am Lehrplan stehen.
Überhaupt: So lange bist du ja nicht im Geschäft und allzu viele Kunden werdet ihr dann nicht auf die hohen Berge gebracht haben. Heuer habt ihr vermutlich einfach nur Glück mit den Verhältnissen gehabt.
Richtig, als Furtenbach Adventures veranstalten wir erst seit 2014 Expeditionen sowie Berg- und Skireisen. Jeder in unserem Team ist aber seit gut 20 Jahren im Geschäft und mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den Bergen der Welt unterwegs. Mit Furtenbach Adventures haben wir mehr als 50 Expeditionen mit mehreren hundert Teilnehmern auf die Sechs-, Sieben- und Achttausender durchgeführt. Alle diese Expeditionen waren erfolgreich, d.h. es wurde immer der – bei Doppelexpeditionen zumindest ein – Gipfel erreicht. In unserem ersten Everest-Jahr 2016 hatten wir „nur“ 85 Prozent Erfolgsquote, im Jahr darauf 100 Prozent und auch heuer erreichten sogar bei zwei Gruppen jeweils alle Teilnehmer den Gipfel.
Obwohl wir von vielen als Rookies gesehen werden, haben wir neben dieser ungewöhnlichen Erfolgs- und übrigens auch Zero-Accident-Bilanz auch den zweiten „Blind-Climber“ auf den höchsten Punkt der Erde gebracht, am Everest auch drei Filmprojekte umgesetzt, dabei die erste große Kino-Kamera seit der IMAX-Produktion 1996 hochgebracht, einen Drohnen-Höhenrekord aufgestellt, zwei VR-Projekte für Mammut und PRO7 verwirklicht und heuer eben die kürzeste kommerzielle Expedition durchgeführt. Bei aller Kritik scheint es nicht nur Glück zu sein, und wir sind eigentlich recht zufrieden.
Aber warum eckst du immer so an? Sogar zu Reinhold Messner bist du garstig gewesen. Mach es doch einfach wie die anderen auch: Spiel mit, such dir gute Sponsoren und tingle mit Vorträgen durch die Gegend oder lass dich als motivational speaker von großen Konzernen engagieren.
Natürlich habe ich sehr gute Sponsoringverträge und werde auch von bedeutenden Konzernen als Speaker gebucht. Ich spiele eh mit, ecke aber immer dann an, wenn ich mein Spiel nach den Regeln anderer spielen sollte. Dabei versuche ich die oft emotional belastete Bergsport-Ethik-Diskussion auf eine sachliche Ebene zu bringen. Das ist mit einigen leider grundsätzlich nicht möglich, andere schaffen das sehr gut – Reinhold Messner ist ein Beispiel für Letzteres: trotz unterschiedlicher persönlicher Überzeugung bzw. Philosophie respektieren und anerkennen wir unsere unterschiedlichen Wege.
Das bedeutet, dass es das jetzt nicht gewesen ist, sondern du so weiter machst …
Ja, alles bleibt gleich. Ich werde auch in Zukunft versuchen, das Höhenbergsteigen weiterzuentwickeln. Das heißt, immer, wenn ich persönlich zum Everest aufbrechen werde, wird das mit einem Projekt in der Tasche sein, das wiederum für Irritationen sorgen wird.
Fällt mir nichts mehr ein, ziehe ich mich wieder in die Sandkiste zurück.
Lukas Furtenbach
Lukas Furtenbach ist Gründer und Eigentümer des Innsbrucker Expeditionsveranstalters Furtenbach Adventures, Diplomgeograph, Filmemacher, Familienvater. Er führt seit 20 Jahren Expeditionen durch und liebt Kreativität sowie Innovation am Berg.