Kochen unter Extrembedingungen: 4 Kochsysteme im Vergleich
Eine winzige Biwakhöhle, ein Portaledge in einer Bigwall, ein Camp auf dem Gletscher in extremer Höhe. Diese Situationen stellen Sportler:innen vor große Herausforderungen, auch beim Kochen. Hierbei sollte ein Kocher möglichst unkompliziert funktionieren und uns nicht beim leichtesten Windstoß hungrig zurücklassen.
Brennstoffe
Die meisten Outdoor-Kocher funktionieren mit Gas oder Benzin. Handelsübliche Schraubkartuschen enthalten eine Mischung aus Butan, Isopropan und Propan, die unter Druck verflüssigt wurden. Gas ist einfach in der Handhabung, verbrennt sauber und sparsam und muss nicht vorgeheizt werden. Bis etwa -15 °C funktionieren diese Gaskartuschen problemlos. Bei tieferen Temperaturen nimmt der Druck in der Kartusche ab, das flüssige Gas verdampft schlechter und kann nicht mehr aus der Kartusche als verbrennbares Gas austreten.
Bei Kochern mit externer Zuleitung (bei denen der Kocher neben der Kartusche steht) kann man die Kartusche auf den Kopf drehen. Warmhalten der Kartusche im Schlafsack hilft außerdem. Es gibt auch noch spezielles „Wintergas“, bestehend aus Propan und Isobutan, das bei niedrigeren Temperaturen (ab etwa -5 °C) besser funktioniert als handelsübliches Gas. Auf Expeditionen und beim Bigwallen setzen sich mehr und mehr Systemkocher durch, bei denen Kartusche, Kocher und Topf eine Einheit bilden, die sehr gut windgeschützt ist. Das spart Gas und Zeit beim Kochen oder Schneeschmelzen.
Diese Kocher werden auch bei tiefen Temperaturen eingesetzt und in großen Höhen. Abzuraten ist von wiederbefüllten Schraubkartuschen, die in manchen Expeditionsländern angeboten werden. Ausgelaufene Gaskartuschen haben schon so manchen Gipfeltraum platzen lassen. Wenn man dauerhaft niedrigere Temperaturen erwartet, kann man auf einen Benzinkocher setzen. Benzin brennt unabhängig von der Außentemperatur und hat einen hohen Brennwert.
Im Gegensatz zu Schraubkartuschen ist Benzin weltweit verfügbar. Am saubersten verbrennt Reinbenzin (englisch „White Spirit“), das man in Supermärkten und Outdoorläden bekommt. Benzin aus der Zapfsäule enthält Schmierstoffe und andere Zusätze, die den Kocher verunreinigen: Man muss den Kocher dann regelmäßig reinigen. Das flüssige Benzin muss in einer Flasche mit einem Pumpsystem unter Druck gesetzt werden, der Brenner selbst muss vorgeheizt werden. Die Gefahr einer Stichflamme beim Anzünden des Kochers sollte nicht unterschätzt werden.
Benzin stinkt und rußt auch manchmal, ab und an muss man einen schwarzen Topf reinigen. Nichtsdestotrotz punktet Benzin in den arktischen Regionen und auf längeren Reisen mit mehreren Personen, da der Brennstoff günstig ist und bei tiefen Temperaturen verbrennt. Weitere Brennstoffe wie Esbit, Spiritus oder Holz sind bei extremen Unternehmungen nicht zu empfehlen, da der Brennwert zu gering ist. Kerosin verbietet sich wegen der starken Verschmutzung von selber.
Kochen im Zelt
Ganz generell muss vom Kochen im Zelt abgeraten werden. Eine offene Flamme birgt immer ein Brandrisiko. Das Zelt besteht aus Plastik, Funktionsbekleidung ebenso. Plastik brennt und schmilzt innerhalb von Sekunden den! Die Verbrennung von Gas oder Benzin verbraucht außerdem Sauerstoff, den wir zur lebensnotwendigen Atmung brauchen. Über tödliche Kohlenmonoxidvergiftungen berichtete bereits Franziska Haack in bergundsteigen, Ausgabe #116: „Erstickt im Zelt: Was ist passiert?“
Wer kurz vor dem Verdursten im Schneesturm trotzdem im Zelt sitzend Schnee schmelzen möchte, sollte dies im belüfteten Vorzelt machen oder mit einem aufgehängten Systemkocher bei zusätzlicher Belüftung des Hauptzeltes.
Kochen auf Expedition
Expeditionen nach Argentinien, Nepal oder in Polregionen stellen kochtechnisch besondere Herausforderungen dar. Große Höhen, tiefe Temperaturen und schwierige Logistik sind hier die Hauptgegner. Erst einmal gilt es, an den passenden Brennstoff zu kommen. Schraubkartuschen findet man auch in Expeditionsländern im Fachhandel, sie sind jedoch teuer. Organisierte Expeditionen haben mittlerweile Lager in Städten wie Kathmandu, in denen die passende Ausrüstung einfach abgeholt wird.
Winterbesteigungen wären ohne speziell angefertigte Kochausrüstung wie Gaskartuschen mit speziellen Wänden kaum möglich. Gaskartuschen nehmen ein großes Volumen im Rucksack ein, selbst wenn sie leer sind. Aktuelle Systemkocher mit integriertem Windschutz sind hier die gassparende Variante. Bei Kälte setzen viele Expeditionen immer noch auf Benzin, da Benzin ein besseres Volumen-zu-Brennwert-Verhältnis hat als Gas. Der Bedarf an Benzin lässt sich leicht errechnen. So benötigt man für fünf Liter kochendes Wasser bei kalten Temperaturen (ein Liter Frühstück, drei Liter Trinkwasser schmelzen, ein Liter Abendessen) etwa 250 Milliliter Benzin. Kocht man sparsam mit Windschutz und Wärmetauschtopf reichen 10 Prozent weniger, als Backup rechnet man 10 Prozent mehr. Auf www.winterfjell.de gibt es einen Rechner, mit dem man sich seine Benzinmengen ausrechnen kann. Benzinkocher sind allerdings wartungsintensiv und man muss unbedingt alles zur Reparatur und zum Reinigen des Kochers mitnehmen.
Expertentipp
Lukas Furtenbach, Expeditionsveranstalter Furtenbach Adventures:
Auf unseren Expeditionen kommen unterschiedliche Kochersysteme zum Einsatz, je nach Gebiet, Berg und logistischen Möglichkeiten. Am Denali und in der Antarktis beispielsweise verwenden wir Benzinkocher mit reinem „White Gas“ als Brennstoff – vor allem wegen der Brennstofflogistik. Es wäre nicht möglich, Gaskartuschen in so großer Anzahl zu transportieren und zudem können sie in die Antarktis nur als Gefahrengut geflogen werden, was einen enormen logistischen Aufwand bedeutet. Nicht zuletzt würden die leeren Gaskartuschen auch eine erhebliche Abfallproblematik nach sich ziehen, da ja selbstverständlich alles wieder abtransportiert wird. Kochen im Zelt ist mit Benzinkochern wegen der Stichflammengefahr eigentlich auszuschließen. Außerdem brennen sie nicht immer sauber, können rußen und Schadstoffe freisetzen.
Bei den hohen Bergen im Himalaya und Karakorum verwenden wir für die Hochlager ausschließlich kleine, leichte und hocheffiziente Gaskocher des koreanische Herstellers Soto mit „Primus Powergas“-Kartuschen, die ein speziell für Kälte und Sauerstoffarmut optimiertes Gasgemisch aus Butan, Isobutan und Propan enthalten. Sie sind für den Einsatz in großer Höhe und in Hochlagern die effizienteste, sauberste und sicherste Möglichkeit, Schnee zu schmelzen und zu kochen. Wichtig ist immer die Sicherheit, insbesondere die Belüftung beim Kochen in den Apsiden des Zeltes. Dies gilt vor allem für den seltenen Fall, wenn wegen eines Sturms im Zelt gekocht werden muss. In den Basislagern kommen meist große Kerosinkocher zum Einsatz.
Welcher Kocher passt zu dir? 4 Kocher im Vergleich
1. Der Spezialist
Systemkocher. Du spülst nicht gerne ab, damit deine Hornhaut durchhält in der Bigwall. Dein Traumberuf wäre Astronaut gewesen. Du lebst gerne von Instant-Kaffee, Tee und Tütennahrung. Im Hochlager schaust du gerne dem Schnee beim Schmelzen zu, während dein Kocher an einer Hängevorrichtung baumelt. Dein Kocher ist der Systemkocher. Er hat durch seine Verbindung von Gaskartusche mit aufgeschraubtem Kocher und Topf den Windschutz integriert: Das spart enorm viel Gas. Das muss auch so sein, denn das hohe Gewicht des Kochers wird dadurch kompensiert, dass man weniger Gaskartuschen schleppen muss.
Systemkocher kann man nur auf ebenem Untergrund abstellen, durch den schmalen, fix aufgeschraubten Topf haben sie einen hohen Schwerpunkt. Im unwegsamen Biwak oder im Portaledge kann dieser Kocher auch mitsamt Topf aufgehängt werden. Theoretisch kann man in dem Topf auch andere Dinge außer Wasser kochen, in der Praxis hat man jedoch meist nicht genug Wasser dabei, um den Topf zu spülen, und nutzt ihn daher lieber als gassparenden Wasserkocher.
- Primus Lite+, 402 g, 150 €
- MSR Reactor, 360 g, 292–325 €,
- je nach Gefäßgröße Jetboil Flash Carbon, 371 g, 160 €
2. Der Minimalist
Aufsetzkocher. Du bist gerne mehrere Tage unterwegs mit Rucksack, Zelt oder Fahrrad. Morgens stellst du eine Mokkakanne auf und abends bist du kulinarisch genügsam: Nudeln mit Soße, die in einen kleinen Topf passen, sind dir gerade recht. Multitasking liegt dir nicht, am liebsten sitzt du neben deinem Kocher und hältst den Topf fest, damit das Essen nicht umkippt.
Dann ist ein kleiner Aufsetzkocher genau das Richtige. Er wiegt oft unter 100 Gramm, ist handlich und klein. Allerdings sind diese Kocher windanfällig: Mit einer hohen, stabilen Folie aus Alu lässt sich ein Windschutz bauen, vor allem wenn man kleine Gaskartuschen verwendet. Mit einem kleinen Topf, in den idealerweise die Kartusche verpackt werden kann, einer nicht zu großen Pfanne und einer Kaffeekanne hast du hier alles, was es zum Biwakieren braucht.
- Primus Fire Stick Stove, 83 g, 121 €
- Optimus Crux, 85 g, 60 €
- MSR Pocket Rocket, 75 g, 60 €
3. Der Standhafte
Gaskocher mit Zuleitung. Werte wie Stabilität und Ruhe sind dir wichtiger als leichtes Gewicht. Du suchst einen Kocher fürs Leben, mit dem du deine Zeit auf dem Campingplatz genauso genießen kannst wie eine längere Reise oder ein alpines Biwak. Nicht zu teuer, nicht zu schwer, du magst die goldene Mitte.
Gaskocher mit externer Zuleitung stehen dank ihres niedrigen Schwerpunktes stabil auf dem Boden neben der Gaskartusche. Auch größere Pfannen und Töpfe können hier wackelfrei stehen. Zusätzlich kann man den Brenner vor Wind schützen mit einem faltbaren Alublech. Kocher dieser Kategorie wiegen um die 200 Gramm.
- Primus Express Spider II, 200 g, 80 €
- MSR Wind Pro II, 185 g, 115 €
- Soto Fusion Trek, 182 g, 116 €
4. Der Allrounder
Benzinkocher und Multi-Fuel-Kocher. Gerne kochst du mehrere Gänge, dein Kochgeschirr kann nicht groß genug sein. Du redest nicht gerne beim Kochen, dir kommt die Lautstärke dieser Kocher gerade recht. Außerdem liebst du den Geruch von Benzin, das dir beim Umfüllen in die Brennstoffflasche über die Finger tröpfelt. Pumpen für den Druck in der Flasche ist für dich willkommenes Unterarmtraining. Als routinierte:r Heimwerker:in hast du Nadeln, Zangen und Bürsten zur Reinigung des Kochers und der Düse sowieso dabei.
Multi-Fuel-Kocher sind in der Lage, verschiedene Brennstoffe zu verheizen, wobei man bei manchen Brennern dafür die Düse wechseln muss. Da sie alle neben der Brennstoffflasche stehen, sind sie stabil und können mit einem Alublech oder Ähnlichem vor Wind geschützt werden. Benzin brennt unabhängig von Höhe und Temperatur, der Brenner muss jedoch vorgeheizt werden.
- Soto Stormbreaker, 448 g, 230 €, Gas, Benzin
- Optimus Polaris, 475 g, 240 €, Gas, Benzin
- MSR Whisperlite International V2, 310 g, 175 €, alle Brennstoffe
- Primus Omnifuel, 450 g, 189 €, alle Brennstoffe
Gaskartuschen-Physik
Obwohl Kartuschen „Gas“-Kartuschen heißen, beinhalten sie einen flüssigen und einen gasförmigen Anteil. Sie stehen unter Druck, man hört die flüssige Phase beim Schütteln. Bei Standard-Gasmischungen (z. B. Propan/Butan/Isobutan) ist die Gasphase reicher am niedrigsiedenden Bestandteil Propan (C3H8, Siedepunkt -42 °C). Betreibt man nun den Brenner, entnimmt man Gas aus der Gasphase.
Dadurch reichert sich der höhersiedende Bestandteil Butan C4H10 (Siedepunkt -1 °C) in der Flüssigphase immer weiter an. Bei kälterer Umgebung ist diese Anreicherung noch stärker und sie bewirkt eine Abnahme des Gasdrucks in der Kartusche, was zu weniger Leistung am Gasbrenner führt. Ist der letzte Rest Flüssigkeit verschwunden, verbrennt nur noch das restliche Gas, danach herrscht in der Kartusche der Umgebungsdruck. Ist es zu kalt, verbleibt das Butan einfach in der flüssigen Phase und verbrennt nicht mehr.
Sogenanntes Wintergas hat oft einen höheren Anteil an Propan kombiniert mit Isobutan (Siedepunkt -11,7 °C). Der Druck in diesen Kartuschen ist höher, üblicherweise bekommt man reines Propangas aber nur in stärkerwandigen Gasflaschen. Reines Propan hat auch einen höheren Brennwert als Gasmischungen, noch höhere Werte haben Benzin und Petroleum. Allerdings benutzen Expeditionen mittlerweile auch in großen Höhen noch Gas-Systemkocher und nehmen den Verbleib von Rest-Flüssiggas in der Kartusche lieber in Kauf als einen Benzinkocher mitzunehmen.