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76 Prozent der Unfälle in Kletterhallen passierten 2022 beim Bouldern. Foto: yns_plt/unsplash
28. Sep. 2023 - 5 min Lesezeit

Kletterhallen-Unfallstatistik 2022: Wo passieren in der Halle die Unfälle?

Zwei Drittel aller Verletzungen in Hallen zogen sich 2022 beim Bouldern zu. Beinverletzungen sind beim Seilklettern wie Bouldern die häufigsten Verletzungen - beim Seilklettern waren die Hälfte aller Unfälle Bodenstürze.

Nachdem in den Jahren 2020 und 2021 keine Kletterhallenunfallstatistik im gewohnten Stil erstellt wurde – die Daten waren aufgrund der Corona Einschränkungen stark verzerrt – präsentieren die DAV Sicherheitsforschung und das Lehrteam des Kletterhallenverbandes KLEVER e.V. für das vergangene Jahr wieder eine detailliertere Übersicht zu Unfallereignissen in Kletter- und Boulderhallen.

Die Zahl, der von DAV und KLEVER betreuten Mitgliedshallen beträgt zurzeit etwa 250 und deckt somit die Mehrheit der Kletteranlagen in Deutschland ab. Es wurden lediglich Unfälle erfasst, bei denen ein Rettungsdiensteinsatz erfolgte, da in diesen Fällen meist eine recht gute Datenbasis vorzufinden ist. Dennoch ist leider immer noch von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen, da nicht alle Hallen ihre Unfälle melden.

Drei Viertel aller Unfälle beim Bouldern

Drei Viertel aller Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz passierten beim Bouldern. Grafik: DAV, Klever
Drei Viertel aller Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz passierten beim Bouldern.

Insgesamt wurden 210 Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz erfasst. Mit 160 Unfällen (76 Prozent) hat es beim Bouldern die meisten Unfälle gegeben, beim Seilklettern waren es 39 (19 Prozent) gemeldete Unfälle. Elf Unfälle (fünf Prozent) beziehen sich auf Verletzungen, die im Hallenumfeld, Trainingsbereich oder beim Spielen passierten oder wenn ein Rettungsdienst auf Grund von Kreislaufbeschwerden gerufen wurde.

Bein- und Armverletzungen am häufigsten

Gemeldete Verletzungen für Disziplinen Seilklettern und Bouldern
Gemeldete Verletzungen für Disziplinen Seilklettern und Bouldern

Sowohl beim Seilklettern als auch beim Bouldern wurden Beinverletzungen am häufigsten gemeldet, gefolgt von Armverletzungen (13 Prozent beim Seilklettern, 28 Prozent beim Bouldern), Rumpf- und Kopfverletzungen sowie Mehrfachverletzungen.

Bouldern: Verletzungen durch Mattenstürze

Den Hauptanteil der Boulderunfälle machen die Mattenstürze aus. Gerade größere Sturzhöhen bei gleichzeitig unkontrolliertem Abrutschen bergen ein hohes Verletzungsrisiko.

Falls die Möglichkeit besteht ist eine Reduzierung der Absprunghöhe immer anzuraten – gerade Verletzungen nach kontrolliertem Absprung vom Top sind unnötig und vermeidbar.

Anprall- und Sportverletzungen sowie sonstige Unfälle sind seltener. Es wurden keine Verletzungen im Zusammenhang mit Kollision (Unfall durch Zusammenprall mit anderer Person) gemeldet.

Wie auch in den letzten Jahren, ist die Anzahl der Verletzungen an den Extremitäten (Arme und Beine) sehr hoch – 81 Prozent der gemeldeten Fälle betreffen diese Bereiche. Die anderen Verletzungskategorien spielen beim Bouldern eine eher untergeordnete Rolle. Bei der Hälfte der Boulderunfälle liegen keine Informationen zur Bouldererfahrung vor. 27 Prozent (n = 44) der verletzten Personen gaben an nur ein Jahr oder weniger Bouldererfahrung zu haben. 23 Prozent (n=37) gaben mehrere Jahre als Erfahrung an.

Durch gesunde Selbsteinschätzung, Aufwärmen sowie Abklettern, kann die Gefahr vor Verletzungen gesenkt werden.

Seilklettern: Bodenstürze im Vorstiegsklettern

Die häufigsten Unfälle beim Seilklettern: Bodenstürze und Verletzungen durch Anprall an die Wand. Foto: Rahadiansyah/unsplash
Die häufigsten Unfälle beim Seilklettern: Bodenstürze und Verletzungen durch Anprall an die Wand. Foto: Rahadiansyah/unsplash

Insgesamt wurden im Jahr 2022 39 Unfallereignisse beim Seilklettern gemeldet. Zwei Drittel aller Seilkletterunfälle ereigneten sich im Verstieg, ein Sechstel beim Ablassen.

Zwei Drittel aller Seilkletterunfälle ereignen sich im Verstieg.

Von den 39 gemeldeten Unfällen mit Rettungsdiensteinsatz waren fast die Hälfte Bodenstürze (49 Prozent), darauf folgen Unfälle mit Anprall an die Wand (28 Prozent) sowie Kollision (13 Prozent) und anderen Sportverletzungen (10 Prozent).

Verletzungen durch Anprall an der Wand (28 Prozent) werden meist durch unkontrollierte Stürze in Kombination mit zum Teil nicht idealem Sicherungsverhalten hervorgerufen.

In den meisten Fällen erlitt dabei die kletternde Person Verletzungen. In einem Fall wurde die Sichernde durch harten Anprall an der Wand schwer verletzt. Bei der Hälfte der Kollisionen (13 Prozent) waren Dritte betroffen, bei zwei weiteren Fällen erlitten jeweils sichernde Personen nicht unerhebliche Verletzungen – Ereignisse solcher Art gehen oft mit Kopf- sowie Verletzungen der Wirbelsäule einher.

Der Anteil an Bodenstürzen, die beim Ablassen passiert sind, ist im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen. Ab diesem Jahr werden Unfälle an Selbstsicherungsautomaten explizit ausgewiesen, hier war bei allen gemeldeten Unfällen das Nicht-Einhängen in das System ursächlich für den Bodensturz.


Die Meldungen bzgl. der Bodenstürze im Vorstieg deuten meistens auf eine Fehlbedienung des Sicherungsgerätes hin.

Bodenstürze zwischen 5. und 7. Exe

Bei einem Unfall löste sich beim Setzen in das Seil der Knoten, es handelte sich um einen Einbindefehler, der wahrscheinlich mit einem korrekten Partnercheck entdeckt worden wäre.

72 Prozent der Bodenstürze im Vorstieg passierten zwischen der 5. und 7. Exe. Vier der Bodenstürze ereigneten sich bei einem geplanten Sturztraining. Zu geringer Bodenabstand, fehlende Hintersicherung oder schlechte Kommunikation sind häufig Probleme bei Unfällen während eines Sturztrainings. Bei vier der Bodenstürze ist bekannt, dass die sichernde Person Handverbrennungen davon trug. Eine häufige Fehlerquelle, die zu Bodenstürzen führt, sind Fehlbedienungen von Sicherungsgeräten: z.B. Verharren in Gerät-Offen-Position beim Seilausgeben, Verletzung des Bremshandprinzips.

Hintergrundartikel: Unfallursachen und Risiken beim Hallenklettern

Sicherungsgeräte und Unfallmuster

Ablassen
Insgesamt gab es vier Ablassunfälle mit einem Grigri, die zweimal in einem Bodensturz sowie zweimal in einer Kollision resultierten. Bei einem der Fälle wurde das Seil falsch eingelegt, bei den anderen drei Fällen wurde der Ablasshebel zu schnell gezogen und das Bremsseil nicht kontrolliert.

Vorstieg
Bei 2 Fällen mit dem Megajul wurde genau im Moment des Reinsetzens das Bremshandprinzip verletzt und in der Seilausgebeposition verharrt, beide Fälle resultierten in einem Bodensturz. Auch mit anderen Halbautomaten ist dieses Unfallmuster aufgetreten.

Eine ausreichende Schulung sowie Übungszeit und das Kennen der Grenzen des jeweiligen Sicherungsgeräts sind für gutes und unfallfreies Sichern zwingend erforderlich!

Fehlender Partnercheck bei Selbstsicherungsautomaten

Die Benutzung von Selbstsicherungsautomaten erfordert ein sehr hohes
Maß an Aufmerksamkeit, bei allen vier Unfällen (3 schwerverletzt, 1 tödlich) war das Nichteinhängen des Systems ursächlich für den Bodensturz. Weitere Fälle mit demselben Unfallmuster, die nicht in diese Statistik eingeflossen sind, sind bekannt.

Besonders heikel beim Klettern am Selbstsicherungsautomaten ist der fehlende Partnercheck.

Klettern mit Selbstsicherungsautomaten: so geht’s!

Mensch vs. Maschine: Funktionsweise, Vorteile und Risiken der Autobelays. Zum Artikel

Quelle: Kletterhallenunfallstatisik 2022, Lehrteam des Kletterhallenverbandes KLEVER e.V. und DAV Sicherheitsforschung