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Katharina Hartmuth am Champillon. Foto: Nicolo Matteucci
23. Okt 2024 - 5 min Lesezeit

Katharina Hartmuth: Neuer Ultratrail-Rekord beim TORX

Drei Tage und Nächte durchrennen, 24.000 Höhenmeter am Stück: Was für viele unvorstellbar scheint, ist für Katharina Hartmuth die ultimative Herausforderung. Portrait einer Läuferin, die trotz ihrer Erfolge die Bodenständigkeit bewahrt.

330 Kilometer, 24.000 Höhenmeter, hochalpine Trails bis auf 3300 Meter Höhe, und das alles in einem Zeitlimit von 150 Stunden: Was für viele unvorstellbar scheint, ist für Katharina Hartmuth die ultimative Herausforderung. Beim TOR des Géants in Courmayeur, einem der härtesten Ultrarennen der Welt, stellte die 29-Jährige im September einen neuen Streckenrekord für Frauen auf.

Sie unterbot als erste die 80-Stunden-Marke und erreichte das Ziel nach 79 Stunden, 10 Minuten und 40 Sekunden. Drei Tage und Nächte kämpfte sie sich mit nur 45 Minuten Schlaf durch Wind, Regen und Schnee und sicherte sich den ersten Platz bei den Frauen sowie Rang sieben in der Gesamtwertung.

Zieleinlauf TorX Katharina Hartmuth.
Katharina Hartmuth beim Zieleinlauf. Foto: Carolina Valsecchi-Gillmeister.

„Es fühlte sich an wie ein ewig langer Trainingslauf mit Buffets zwischendrin“, erzählt sie nach dem Rennen in einem Podcast und spielte damit auf die Verpflegungsstationen unterwegs an. Dennoch hatte sie zu kämpfen, vor allem mit dem Schlaf, für den sie kaum die nötige Ruhe fand. Nur in der dritten Nacht war sie müde genug, um eine dreiviertel Stunde zu schlafen.

Katharina Hartmuth In der Versorgungstation. Foto: Andrea Testa
Katharina Hartmuth In der Versorgungstation. Foto: Andrea Testa

Hinzu kamen Fuß- und Knieschmerzen. Nachdem sie den TOR330 bereits im Jahr zuvor ausprobiert hatte, wusste sie bereits, dass es hart werden würde. Unterwegs motivierte sie sich selbst mit den Worten: „Es ist dein Traum, der hier gerade wahr wird“.

Katharina Hartmuth beim TorX
Glückliches Siegerstrahlen. Foto: Carolina Valsecchi-Gillmeister.

Schon im Juli hatte sie beim Hardrock 100 Endurance Run in Colorado den dritten Platz erreicht – trotz Verletzungsproblemen im Winter. Auch dieses Rennen ist sehr technisch und findet auf durchschnittlich 3500 Metern Höhe statt. Mit diesen Erfolgen hat Katharina Hartmuth die hohen Erwartungen an sie nach ihren Erfolgen im Vorjahr bestätigt.

Im Juni gewann sie bei den Trail- und Berglauf-Weltmeisterschaften in Innsbruck im Trail Long (86,9 Kilometer, 6.500 Höhenmeter) die Silbermedaille. Anfang September 2023 trat sie dann beim Höhepunkt der Saison an, dem Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB), der in der Szene das meiste Prestige hat, „bedeutender als alle anderen Rennen, auch die WM“, sagt Hartmuth. Auf den 171 Kilometern mit knapp 10.000 Höhenmetern benötigte sie 24:10:52 Stunden – und belegte den zweiten Platz.

Katharina Hartmuth beim Rifugio Tournalin. Foto: Stefano Coletta
Katharina Hartmuth beim Rifugio Tournalin. Foto: Stefano Coletta

Vom Klettern zum Berglauf

Zum Traillaufen kam Katharina Hartmuth auf Umwegen. Während ihrer Schulzeit in Leipzig war Klettern ihr Hauptsport. Zwar nahm sie an Wettkämpfen wie den Sachsenmeisterschaften teil, „aber ich war nie besonders gut und wenig ambitioniert“, sagt sie. Damals hätte sie sich selbst nicht als sportlich bezeichnet. Vor neun Jahren zog sie für ihr Studium in die Schweiz. An der ETH Zürich studierte sie Erdwissenschaften, anschließend promovierte sie in Teilzeit, um genug Zeit fürs Training zu haben. Ihre Dissertation zum Klimawandel in der Arktis schloss sie letztes Jahr ab und hängte eine Post-Doc-Stelle an.

Die Nähe zu den Schweizer Bergen brachte sie zum Traillaufen. Ihr erstes Rennen erlebte sie als Volunteer beim Eiger-Ultra-Trail, den sie inzwischen zweimal gewonnen hat. 2018 lief sie ihren ersten Ultramarathon. Doch die Begeisterung führte bald zu einem Übertraining, das 2019 in einem Ermüdungsbruch endete, der sie fast ein Jahr außer Gefecht setzte.

Katharina Hartmuth am Champillon. Foto: Nicolo Matteucci
Katharina Hartmuth am Champillon. Foto: Nicolo Matteucci

Diese Zwangspause nutzte sie, um ihr Training zu überdenken. Radfahren, Schwimmen und Triathlon halfen ihr dann, sich ganzheitlicher zu entwickeln. Dann kam Covid, was für sie eher ein Vorteil war, da keine Rennen stattfanden und sie sich Zeit mit dem Leistungsaufbau lassen konnte. Im Juli 2020 startete sie ein eigenes Projekt und lief die Strecke des Eiger-Ultra-Trails ein Wochenende, bevor das eigentliche Rennen stattgefunden hätte. Sie wollte sich selbst testen. Ein Jahr später folgte mit dem Swiss Alps 100 ihr erster 100-Kilometer-Lauf, bei dem sie den ersten Platz belegte.

„Es ist dein Traum, der hier gerade wahr wird“.

Ihre Liebe zu langen Rennen war endgültig besiegelt. „Ich brauche drei, vier Stunden, um überhaupt ins Rennen zu finden“, sagt sie. Bei kürzeren Distanzen komme sie nicht in ihren Flow, was mental anstrengend für sie sei. Längere Strecken dagegen liegen ihr, vor allem, weil sie weiß, dass auf Phasen der Erschöpfung immer wieder bessere Momente folgen. Ihr Geheimrezept: immer lächeln, denn Laufen bedeutet für sie in erster Linie Spaß, obwohl Ultralaufen oft auch heißt, verblocktes Gelände, technische Trails mit Wurzeln, Leitern und Hängebrücken zu überwinden.

Das bessere Leben in den Bergen

Katharina Hartmuth beim Rifugio Tournalin. Foto: Stefano Coletta
Katharina Hartmuth beim Rifugio Tournalin. Foto: Stefano Coletta

Am Ultrarunning fasziniert sie vor allem, dass sie so lange draußen in den Bergen unterwegs sein kann. „Das würde ich auch ohne Wettkämpfe machen“, sagt sie. Für sie bedeutet das Freiheit, eine Möglichkeit, den Alltag hinter sich zu lassen. Es habe Phasen in ihrem Leben gegeben, in denen sie sich nicht lebendig gefühlt habe. In den Bergen gehe es ihr besser. Indem sie sich immer wieder neuen Herausforderungen stellt, will sie auch herauszufinden, wie weit sie gehen kann. Die ultimative Grenzerfahrung habe sie im Sport bisher aber noch nicht erlebt.

Trotz ihrer Erfolge gewinnt man den Eindruck, dass Katharina Hartmuth sich ihre Bodenständigkeit bewahrt. Ihr Sport steht für sie im Mittelpunkt, nicht unbedingt die Selbstvermarktung. Mittlerweile hat sich auch Sponsorenverträge unterschrieben, aber sei zu Beginn „geflasht gewesen, dass man damit Geld verdienen kann“, sagt sie im Podcast. Ihre Post-Doc-Stelle an der Uni hat sie weiterhin, auch, um sich ihre Autonomie zu bewahren. Dass ihr eigener Weg für sie funktioniert, hat sie auch 2024 wieder bewiesen.