Ist Schnee eigentlich immer weiß?
Natürlich ist obige Aussage vereinfacht: Wie Schnee Licht bricht und absorbiert, und wie diese Eigenschaften für das Verständnis der Schneedecke genutzt werden können, ist kompliziert. Um die Albedo (das Verhältnis von reflektierter zu einfallender Strahlung) von Schnee zu verstehen, müssen wir zuerst überlegen, warum Schnee überhaupt weiß erscheint, während Eis und folglich auch Schneekristalle im sichtbaren Licht (ca. 450–680 Nanometer) durchsichtig sind.
Die Absorption von Eis ist bei 500 Nanometern sehr gering. Deshalb erscheinen Gletscherhöhlen und durchscheinende Schneeprofile blau, denn blau-grünes Licht wird etwa zehnmal weniger stark absorbiert als rotes.
Brechung und Absorption
Trifft Licht auf eine Eisstruktur, so wird es an seiner Oberfläche gebrochen und ändert die Richtung. Je mehr Grenzflächen es zwischen Eis und Luft gibt, umso öfter ändert sich die Richtung des einfallenden Lichtstrahls. Wenn der Lichtstrahl den Schnee nach vielen Brechungen wieder verlässt, so ist die Richtung mehr oder weniger zufällig, die Reflektion ist diffus, das heißt, das Licht wird vom Schnee in alle Richtungen abgestrahlt (Abb. 1 und 2).
Bei jedem Durchgang durch einen Kristall wird das Licht ein wenig abgeschwächt, es wird ein kleiner Teil der Strahlung absorbiert. Da Schnee alle Farben des sichtbaren Sonnenlichts ähnlich stark absorbiert, erscheint das reflektierte Licht weiß.
Der kleine Helligkeitsunterschied zwischen Neu- und Altschnee ist für unser menschliches Auge kaum zu sehen. Schnee besteht aber nicht aus Kügelchen: Das komplizierte dreidimensionale Schneegerüst (Abb. 3) kann jedoch für viele Berechnungen zur Strahlung vereinfacht als aus kugeligen Körnern bestehend gedacht werden.
Fotografie im nahen Infrarot Im nahen Infrarot, bei Wellenlängen zwischen 700– 1.500 Nanometern, wird Licht stärker vom Eis absorbiert. Aus diesem Grund muss in der Strahlungsbilanz, wie sie in Schneedeckenmodellen gebraucht wird, nicht nur die sichtbare Strahlung, sondern das gesamte Spektrum bis etwa 2.000 Nanometer für die Albedo berücksichtigt werden. Die stärkere Absorption führt auch dazu, dass Schnee mit größeren Strukturen (größere „Körner“) dunkler erscheint.
Ein Schneeprofil erscheint dann in verschiedenen Graustufen. Im nahen Infrarot fotografierte Schneeprofile zeigen qualitativ hochaufgelöst die Schichten und sie können auch so ausgewertet werden, dass die Korngröße genau und objektiv gemessen werden kann (Abb. 4).
Praxisrelevanz für Lawinenwarnung
Gegenwärtig sind wir am SLF dabei, diese in der Wissenschaft öfters benutzte Methode weiterzuentwickeln, damit sie auch in der Praxis angewandt werden kann.
Dazu wurde unter anderem der Infra-Snow-Sensor entwickelt. Gegenwärtig unternehmen wir Versuche, so dass ähnlich auch die Schneedichte gemessen werden kann. Das Ziel dieser Forschung ist es, eine objektivere Methode für die Messung von Schneeprofilen zu entwickeln, und damit auch die Lawinenwarnung zu verbessern.
Schneeoberfläche kälter als Lufttemperatur?
Die Eigenschaften von Schnee im langwelligen, thermischen Infrarot unterscheiden sich diametral von seinen Eigenschaften im sichtbaren und nahen infraroten Spektrum. Dort ist Schnee „schwarz“. Im langwelligen Infrarot (ca. 10–14 Mikrometer Wellenlänge) absorbiert Eis fast alle Strahlung. Schnee ist deshalb ein nahezu perfekt schwarzer Körper für thermische Strahlung.
Dies führt dazu, dass die Temperatur der Schneeoberfläche bei klarem Himmel niedriger als die Lufttemperatur ist. Vor allem im Winter, wenn die Luftfeuchtigkeit gering ist, strahlt die Schneeoberfläche deshalb viel Wärme ab. Dies erklärt zum Beispiel, weshalb sich auf der kalten Schneeoberfläche Oberflächenreif bilden kann. Die optischen Eigenschaften von Schnee spielen somit für die Eigenschaften der Schneedecke eine große Rolle.
Warum ist Schnee weiß?
- Frischer Schnee, der gerade erst vom Himmel gefallen ist, strahlt hell und weiß. Das erscheint auf den ersten Blick unlogisch. Denn Schnee besteht schließlich aus gefrorenem Wasser und müsste demzufolge ebenso durchsichtig sein wie ein Eiszapfen.
- Gefrorenes Wasser – also Eis – verhält sich von seinen Brechungseigenschaften ungefähr so wie eine Fensterscheibe. Es ist so gut wie durchsichtig. Trifft ein Lichtstrahl auf eine normale Fensterscheibe, wird er nicht gebrochen, weshalb auch kein Licht reflektiert wird.
- Schnee hingegen besteht aus vielen winzigen Kristallen. Diese Kristalle muss man sich wie kleine Spiegel vorstellen, die das Licht unterschiedlich brechen. Trifft also ein Lichtstrahl auf eine Schneeflocke, wird er aufgrund der Kristallstruktur vielfach gebrochen. Das weiße Licht wird dabei vollständig reflektiert. Der Schnee erscheint deshalb nicht durchsichtig, sondern weiß.
- Neuschnee reflektiert am meisten Licht. Er wirft deshalb auch einen großen Anteil an ultravioletten (UV-)Strahlen zurück. Das ist auch der Grund dafür, dass die Gefahr eines Sonnenbrands für Wintersportler bei frisch gefallenem Schnee am größten ist.