Heiße Karten: Gefahren und Chancen von Heatmaps
Wahrlich rasend war in der jüngeren Vergangenheit die Entwicklung bei den GPS-Uhren und Routenplaner-Apps; längst dokumentieren viele Berggeher ihre Touren mit den digitalen Gehilfen. Seit einigen Jahren bieten diverse Tracking- und Fitness-Apps zudem sogenannte Heatmaps über ihre Porta- le an. Aber was hat es damit auf sich? Wo liegen ihre Möglichkeiten und Grenzen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was sind Heatmaps überhaupt?
Der Begriff Heatmap ist relativ weit gefasst und damit ziemlich unscharf, denn im Grunde geht es dabei generell um nicht mehr als eine grafische Visualisierung von Daten, also etwa die Darstellung von Temperaturen im Jahresverlauf. Wie bei einer Wärmebildkamera zeigen dabei häufig hellere, meist mit warmen Temperaturen assoziierte Farben wie rot oder orange höhere Werte an und kühlere, dunkle Farben niedrigere Werte. Gelegentlich werden inzwischen sogar thematische Karten wie Chloroplethenkarten, auf denen durch farbige Abstufungen Informationen vermittelt werden, als Heatmaps bezeichnet.
Typische Beispiele dafür sind Klima- oder Hitzekarten, mit denen sich die – durchschnittliche – Temperaturverteilungen darstellen lässt, aber auch Karten zum Fahrradaufkommen einer Stadt oder der Dichte von Arztpraxen. Im Normalfall geben Heatmaps auch dem Laien einen schnellen Eindruck von einem Sachverhalt – oft schon auf den ersten Blick. Seit einiger Zeit veröffentlichen zudem Navigations-, Routenplaner- und Trackingportale eine ganz andere Form der Heatmaps:
Mittels der Mitgliederdaten solcher Netzwerke lässt sich das Besucher-Aufkommen auf gewissen Strecken und Routen auf Karten darstellen. Simon Bergmann, Content- Spezialist des Bergsportportals alpenvereinaktiv.com, nennt es eine „Darstellung der Frequentierung von Aktivitäten“. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass möglichst viele Mitglieder ihr Einverständnis geben, dass ihre Daten für diesen Zweck genutzt werden dürfen.
„Mittels der Mitgliederdaten solcher Netzwerke lässt sich das Besucher-Aufkommen auf gewissen Strecken und Routen auf Karten darstellen.“
Wo sind solche Karten zur Frequentierungsdichte zu finden?
Auf dem Internetportal von Strava, das Fitness-Tracking, soziales Netzwerk und vor allem den Wettkampf-Gedanken vereint, lässt sich neben einer persönlichen Heatmap der eigenen Aktivitäten beispielsweise auch eine „Globale Heatmap“ abrufen. Laut Unternehmensangaben ist sie die größte ihrer Art. Dabei werden die gesammelten GPS-Tracks des globalen Netzwerks an Mitgliedern – Strava selbst schreibt von „Athleten“ – der vergangenen zwei Jahre visualisiert.
Im Jahr 2017 waren dies nach Angaben von Strava 700 Millionen aufgezeichnete Aktivitäten, bei denen 16 Milliarden Kilometer zurückgelegt wurden. Fünf Jahre später hat sich die Zahl bereits auf eine Milliarde Aktivitäten und 27 Milliarden Kilometer erhöht. Bei Strava ist der Heatmap-Gedanke zudem in den Details der Routenbeschreibungen enthalten, wo besonders beliebte Tageszeiten und Monate in Diagrammen dargestellt werden.
Auch die Uhrenhersteller Garmin oder Suunto – die sich beide zudem mit Strava koppeln lassen – stellen solche Frequentierungs-Heatmaps zur Verfügung. Bei Garmin Connect ist die sogenannte Popularity Heatmap über den Webbrowser abrufbar, die Heatmap von Suunto sogar über die App. Die Outdoorplattformen Fatmaps und Komoot dagegen teilen auf Anfrage mit, dass man aktuell noch keine für Nutzer sichtbare Heatmaps biete. Bergmann wiederum sagt, dass man bei alpenvereinaktiv.com und dem Plattformbetreiber outdooractive.com daran arbeite, aber noch nichts spruchreif sei: „Es gibt noch keine Timeline.“
Hilft diese Form der Heatmaps bei der Routenplanung – vor allem in den Bergen?
Zuallererst sind diese Heatmaps derzeit eine nette Spielerei. So lässt sich auf der globalen Heatmap von Strava erkennen, dass sich um Innsbruck herum beispielsweise Trailrunner wie Mountainbiker offenbar besonders gerne hoch Richtung Seegrube bewegen. Schön zu sehen ist auch, wie heiß es in Sachen Wassersport im Norden des Gardasees bei Torbole zugeht – als wären da tatsächlich ein paar Surfer unterwegs.
Generell zeigen die Heatmaps von Strava jedoch eine starke Konzentration auf die Ballungszentren. Heißt: Dort, wo viele Menschen wohnen, ist auch viel Aktivität. Das hat zum Teil damit zu tun, dass Strava bislang noch mehr als Wettkampf-App unter Radfahrern und Läufern einen guten Ruf genießt, denn als Navigations-Hilfe unter Bergsteigern. In den Bergen dünnt das fein ziselierte Netz – abseits der Skigebiete – auf der Globalen Heatmap daher zwar zusehends aus.
Doch lassen sich auch hier bei den Winteraktivitäten durchaus gewisse Moderouten erkennen wie etwa die Lampsenspitze und der Zischgeles im Sellrain oder die Watzmannkinder im Berchtesgadener Land. Auch auf der App von Suunto sind diese beiden Linien ziemlich grell, also viele begangene Touren. Alleine wird man dort folglich nicht sein, was manchen Alleingehern oder Gebietsneulingen eine gewisse Sicherheit geben kann. Wer wiederum die Einsamkeit sucht, erhält mittels solcher Heatmaps eine gute Orientierungshilfe, wo wenig los ist.
Da mit den Daten allerdings keine Echtzeit-Darstellung möglich ist – bei Strava werden sie beispielsweise einmal pro Monat aktualisiert – und diese daher nur mittelfristig das Userverhalten widerspiegeln, kann man sich darauf nicht hundertprozentig verlassen. Wird beispielsweise eine Tour in der lokalen Presse oder in den sozialen Medien empfohlen, ist die Einsamkeit schnell dahin.
Was sind die Möglichkeiten solcher Heatmaps?
Das wahre Potenzial ist derzeit gar nicht absehbar. „Das Ganze ist noch in der Anfangsphase“, meint beispielsweise der Content-Spezialist des Alpenvereins, Simon Bergmann. Eine Prognose will er jedoch wagen: „Die Möglichkeiten sind unendlich.“ Für outdooractive.com und alpenvereinaktiv.com sehe er durchaus die Option, „etwas in Richtung Besucherlenkung zu tun“. So lasse sich beispielsweise mit derartigen Heatmaps erkennen, welche Lenkungsmaßnahmen funktionieren, wo der Nutzungsdruck auf Anwohner womöglich zunimmt, wie stark eventuell Schutzgebiete von Skitourengehern oder eigentlich verbotene Pfade von Mountainbikern frequentiert werden.
„So lasse sich beispielsweise mit derartigen Heatmaps erkennen, welche Lenkungsmaßnahmen funktionieren .“
Auch aus Sicherheitsaspekten kann die Anwendung relevant sein. Laut Bergmann zeigt sich am vergletscherten Zuckerhütl beispielsweise, dass viele Leute einen Aufstiegsweg nutzen, den Bergführer im Sommer nicht mehr empfehlen. Günter Schmudlach von skitourenguru.ch (Skitourenguru vorgestellt in Ausgabe #96) verwendet die Frequentierung der Toureals „Trainingsdatensatz zur Entwicklung des Lawinenrisiko-Modells“. Auch würden auf seinem Portal – anders als bei der klassischen Führerliteratur – die Routenverläufe dem Verhalten der Nutzer angepasst werden.
„Man beugt sich bis zu einem gewissen Grade der Macht der Masse“, sagt Schmudlach. Dies sei seiner Meinung nach auch sinnvoll: „Die Routen sollen ja repräsentativ sein.“ Statt der Wegfindung eines einzelnen Autors zu vertrauen, wird der Aufstiegskorridor gewissermaßen demokratisch bestimmt. Um Heatmaps auf seiner Seite jedoch zuverlässig darzustellen, fehlt ihm trotz der gesammelten GPS-Tracks von insgesamt mehr als 60.000-Skitourenkilometern schlicht eines: „Ich habe dafür nicht genügend Daten.“
Welche Probleme können durch derartige Heatmaps entstehen?
Die Vertrauenswürdigkeit von Frequentierungs-Heatmaps hängt von der Datenmenge ab. Rennt beispielsweise eine größere Gruppe Suunto-Jünger dreimal die Woche auf den gleichen, sonst kaum begangenen Berg, kann das durchaus zu Verzerrungen führen. Aber auch – oder gerade – wenn die Datenmenge ausreichend groß ist, äußern Experten Bedenken. So wurden im Jahr 2018 durch Fitness-tracking-Apps geheime Militärstützpunkte etwa in Syrien, Afghanistan oder Taiwan verraten, weil dort trainierende Soldaten ihre Trainingsrunden in den Netzwerken öffentlich gemacht hatten.
„Mit Heatmaps mache ich Geheimtipps einem größeren Publikum zugänglich.“
Günter Schmudlach
Ähnliches, wenn auch im Wortsinne weniger Kriegsentscheidendes, kann beim Bergsteigen passieren. Oder wie Schmudlach sagt: „Mit Heatmaps mache ich Geheimtipps einem größeren Publikum zugänglich.“ Das kann nicht nur für die Liebhaber eher unbekannter Touren ärgerlich sein, sondern auch aus Sicht der Naturschützer ein Problem für ökologisch sensible Räume bedeuten. Hinzu kommen durchaus sicherheitsrelevante Bedenken. Schmudlach sagt: „Ich sehe in Heatmaps, was möglich ist und was die Leute machen. Ich sehe aber nicht: Ist das in meiner Liga?“ Über Schwierigkeitsgrade, Lawinengefährdung oder Absturzgelände geben solche Karten keine Auskunft.
„Heatmaps machen einen Möglichkeitsraum auf, wo man hingehen könnte“, so Schmudlach. Man müsse die Informationen dann aber auch kritisch einordnen können. Das Tourenportal Komoot verzichtet noch aus einem anderen Grund auf Heatmaps. Denn diese zeigen zwar die am häufigsten begangenen Strecken. „Das ist aber nicht immer der schönste oder für die individuellen Ansprüche eines Nutzers oder einer Nutzerin der am besten geeignete Weg“, sagt Isabel Riffel, Kommunikations-Managerin bei Komoot.
Zudem würden aktuelle Informationen wie gesperrte oder mittlerweile nicht mehr begehbare Wege nicht oder erst verspätet berücksichtigt. Bei Komoot setze man deshalb mit Smarttours auf Tourenvorschläge, die auf die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer und Nutzerinnen zugeschnitten sind. Wie auch andere Anbieter greift Komoot dabei auf fortlaufend aktualisierte Informationen im Kartenmaterial von OpenStreet-Map zurück.
„Ich sehe in Heatmaps, was möglich ist und was die Leute machen. Ich sehe aber nicht: Ist das in meiner Liga?“
Günter Schmudlach
Und dann ist da offenbar auch noch eine gewisse Trägheit der Masse bei der Angabe der korrekten Aktivität – oder einfach das Problem des unterschiedlichen Schwierigkeits-Maßstabs. So eignet sich der 3606 Meter hohe Similaun laut der Suunto-Heatmap zum Trailrunning, und laut Strava ist der Mount Everest gar bis auf rund 7000 Meter ein durchaus öfter gemachter „Spaziergang“. Vielleicht wäre es da als unbedarfter Nutzer nicht von Nachteil, zuvor einmal einen einheimischen Bergführer zu fragen.