Geführte Bergtouren gefährdet? Allianz fordert Absicherung der Selbstständigkeit
Österreichs Bergsportführer ermöglichen Einheimischen und Gästen unvergessliche alpine Erlebnisse und gewährleisten dabei deren Sicherheit in den Bergen. Zu dieser Berufsgruppe zählen Berg- und Skiführer, Bergwanderführer, Canyoning-Guides und Sportkletterlehrer. Seit Inkrafttreten des Sozialversicherungszuordnungsgesetzes 2017 stehen diese größtenteils selbstständigen Bergsportführer vor einer großen Herausforderung: Immer öfter werden sie von der Sozialversicherung als unselbstständig eingestuft, sobald sie ihre Leistungen über alpine Vereine, Alpinschulen, Reiseveranstalter, Hotels oder Lawinenkommissionen anbieten – und das sogar rückwirkend.
Negative Konsequenzen für Bergsportführer und Kunden
Diese sozialversicherungsrechtliche Einordnung bringt für die Bergsportführer, deren Kooperationspartner und deren Kunden gravierende Folgen mit sich. Clemens Matt, Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins, beschreibt die Situation: „Alpinvereine und Bergsteigerschulen arbeiten in Ausbildungsprogrammen, Schulungen, Touren und touristischen Angeboten eng mit Bergsportführern zusammen. Uns werden dabei aber finanzielle und administrative Steine in den Weg gelegt. Diese müssen dringend beseitigt werden“. Die Folgen sind vielfältig:
- Wachsende Bürokratie
- Erhebliche Preissteigerungen für die Kunden von rund 30 Prozent
- Steigendes Unfallrisiko, wenn sich Freizeitsportler aus Kostengründen entscheiden, ohne Bergführer unterwegs zu sein
- Verlagerung von Angeboten ins Ausland, da Alpinveranstalter aus Kostengründen ihre Angebote vermehrt in andere Alpenländer verlegen werden
Internationale Allianz fordert Handlung von der Politik
Eine internationale Allianz, bestehend aus dem Österreichischen Alpenverein, dem Verband der Österreichischen Berg- und Skiführer, dem Tiroler Bergsportführerverband, dem DAV Summit Club, den Naturfreunden Österreich, dem Reiseveranstalter ASI Reisen und dem Niederländischen Kletter- und Bergsportverein, warnt vor den drastischen Folgen der aktuellen Regelung. Die Organisationen fordern die kommende Bundesregierung auf, in gemeinsamen Gesprächen eine für die Branche passende gesetzliche Regelung zu schaffen und die Selbstständigkeit der heimischen Bergsportführer abzusichern.
Michael Rosendorfer, Geschäftsführer des Tiroler Bergsportführerverbandes, bringt das gemeinsame Anliegen auf den Punkt: „Es benötigt eine sozialversicherungsrechtliche Klarstellung, wonach als selbstständig auftretende Bergsportführer:innen rechtssicher als Selbstständige klassifiziert werden können und keine gegenteilige Einstufung durch Behörden zu befürchten haben“.
Gefahr von Alpinunfällen und Verlust touristischer Wertschöpfung
Ambros Gasser, Geschäftsführer von ASI Reisen, dessen Unternehmen bei zahlreichen Wanderreisen in Österreich mit Bergsportführern kooperiert, erklärt: „Die aktuell geltende Regelung beeinträchtigt die wirtschaftliche Planungssicherheit für Bergsportführer:innen. Das Resultat daraus: eine Preissteigerung zu Lasten der Gäste von rund 30 Prozent“. Es besteht die Gefahr, dass sich Ungeübte aus Kostengründen ohne Bergsportführer in die Berge wagen und dadurch das Unfallrisiko steigt.
Manfred Lorenz vom DAV Summit Club ergänzt: „Jahr für Jahr bieten wir in Österreich ein breites Angebot an Berg- und Wanderreisen an. Aus Kostengründen werden wir wohl öfter ausländische Guides dafür beauftragen müssen. Diese sind oft nicht so ortskundig wie österreichische Bergsportführer*innen“. Sollte die derzeitige Praxis fortgesetzt werden, könnten Alpinvereine und Alpinveranstalter ihre Tätigkeit sogar komplett ins Ausland verlagern – zu Lasten der touristischen Wertschöpfung in Österreich. Robin Baks, Direktor des Niederländischen Kletter- und Bergsportvereins, beschreibt die Situation: „Seit mehr als 50 Jahren arbeiten wir bei unseren Kursen und Touren mit österreichischen Bergsportführern zusammen. Zu unserer vollsten Zufriedenheit. Nun sehen wir uns aber mehr und mehr dazu gezwungen, unsere Aktivitäten in andere Alpenländer zu verlagern“.
Gründe für die Einordnung als Selbstständige
Die Allianz aus Alpinvereinen und Bergsteigerschulen führt zahlreiche Gründe an, die eine sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Bergsportführern als Selbstständige rechtfertigen, zum Beispiel:
- Große Verantwortung und Haftung: Ein Bergsportführer hat eine große Verantwortung und haftet selbst für die von ihm Geführten – bis hin zur strafrechtlichen Verantwortung im Falle eines Unfalls.
- Hohe Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Entscheidungsfreiheit: Auch wenn ein Bergsportführer in einer Tourenwoche Gäste einer Alpinschule oder eines alpinen Vereins führt, ist er in keiner Weise als Dienstnehmer tätig, zumal dies allein schon mit dem Arbeitszeitengesetz nicht in Einklang zu bringen ist.
Petition zur Absicherung der Selbstständigkeit
Eine seit Mai laufende Online-Petition mit dem Titel „Selbstständigkeit heimischer Bergsportführer:innen absichern!“ hat bereits rund 10.000 Unterschriften gesammelt.