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Gebi Bendler und Christoph Schranz in Route Via Aqua (7-) an der Kleinen Halt
von Andi Dick
26. März 2025 - 15 min Lesezeit

Routensanierung: Ein Gremium gegen die Anarchie?

Über Rolle und Art der Absicherung beim Klettern, vor allem im Gebirge, wird vehement diskutiert, seit es diesen Sport (?) gibt. Teils auch mit Taten. Der Arbeitskreis Wilder Kaiser versucht seit seiner Gründung 1992, die dabei drohenden Konflikte abzuwenden.

Glaubt man Volker Roth, dem Macher der „Topoguides“ und vehementen Streiter für Bohrhaken in Mehrseillängenrouten, läuft derzeit gerade wieder ein „Hakenkrieg“ an vielen kleinen Fronten: „Es könnte durchaus sein, dass in diesem Sommer mehr Haken abgeflext als neu gebohrt wurden“, wettert er – das geschehe mit dem vermeintlichen Ziel, „tolle Erlebnisse in den Alpen … einer kleinen elitären Minderheit vorzubehalten, die von der Salzburger Brause immer wieder zu neuen, flügelverleihenden Harakiri-Aktionen mit Sponsorengeldern angetrieben wird.“

Ob diese Analyse stimmt, sei irgendwohin gestellt. Fakt ist, dass die technische Entwicklung akkugetriebener Bohr-, aber auch Flex-Maschinen ein unschönes Rein-Raus ermöglicht: Die einen eröffnen neue Kletterlinien oder sanieren bestehende, die anderen schneiden die ungeliebten Bohrhaken wieder ab.

Dass eine solche Anarchie kein Idealbild der „Freiheit der Berge“ zeigt, liegt auf der Hand. Nur: Was ließe sich dagegen machen? Der Wilde Kaiser, Tiroler Parade-Kletterrevier im erweiterten Nahbereich von München, hat seine eigenen Hakenkriege in der Historie.

Wiessner-Rossi an der Fleischbank-Südostwand im Wilden Kaiser
Die Sanierung alpiner Klassiker, wie hier im Bild die 1925 erstbegangene Wiessner-Rossi an der Fleischbank-Südostwand, gilt im Wilden Kaiser als weitgehend abgeschlossen. Nur in seltenen begründeten Fällen kann mit Abstimmungsmehrheit im Arbeitskreis ein weiteres Sanierungsprojekt umgesetzt werden. Ein Mittelweg zwischen Tradition und Sicherheit hat sich für die lokale Community bewährt. Foto: Laternbildsammlung, Museum/Archiv ÖAV

Schon die Protagonisten im ersten „Mauerhakenstreit“ um 1912, Paul Preuß und Hans Dülfer, lieferten im „Koasa“ Musterbeispiele ihrer unterschiedlichen Stilformen. Anfang der 1970er-Jahre fand Pit Schubert vom DAV-Sicherheitskreis bei Tests heraus, dass die Haltekräfte von Normalhaken oft katastrophal mies und vor allem selbst für Experten komplett uneinschätzbar sind, und entwickelte den DAV-Sicherheitshaken.

Diesen setzte er anstelle alter Rostgurken in Arco, dem Oberreintal und eben im Kaiser – eine Abseilpiste am Bauernpredigtstuhl wurde allerdings postwendend unbrauchbar gemacht. Zwanzig Jahre später – Jürg von Känel hatte gerade mit dem Schlagwort Plaisir eine nutzerfreundliche, zuverlässige Absicherung propagiert – eskalierten neue Hakensäge-Kriege: in den Tannheimern, wo allerdings persönliche Animositäten gegen den Erschließer und Sanierer Toni Freudig eine Rolle gespielt haben dürften.

Und im Kaiser wurden Bohrhaken an Rittlerkante und Predigtstuhl-Nordkante abgesägt – mit dem Ziel, eine Diskussion auszulösen, wie die Täter freimütig zugaben.

Klassiker sanieren – ja oder nein?

Ähnlich wie bei Erstbegehungen gibt es auch zur Ethik der „Sanierung“ von „Alpinen Klassikern“ allerlei Argumente; eine kleine Auswahl sei zur Erinnerung aufgeführt. Die Unberechenbarkeit von Normalhaken spräche ja dafür, alpine Kletterrouten zumindest mit einem Kernskelett ordentlicher Norm-Bohrhaken auszurüsten, so dass etwa bei Griffausbruch kein russisches Roulette droht.

Sanierte Klassiker wären dann eine logische Stufe im System Halle – Klettergarten – talnahe Mehrseillängenrouten – „Plaisirrouten“ – sanierte Klassiker – „Abenteuerrouten“. Vor allem Gebirgsneulinge könnten sich so, bei gezielter Auswahl des Sicherungs-Anspruchs, an die weiteren Anforderungen des Alpinkletterns (Zu- und Abstieg, Routenfindung, Zeitplan, Wetter …) gewöhnen.

Dem entgegen steht die Sichtweise, der „Respekt vor dem Berg“ und eigenverantwortliche Kompetenz beim Sichern seien USPs des Alpinkletterns und eine berechtigte Hürde gegenüber zu großem Massenandrang; womöglich biete das „Abenteuerklettern“ gar ein unvergleichlich intensives Erlebnis als Selbstzweck.

Und mit selbst geschlagenen (oder gecheckten) Normalhaken und mobilen Sicherungsmitteln ließen sich die meisten Classics ordentlich absichern. Zudem lasse sich unter diesem Stress die „Leistung der Erstbegeher“ besser würdigen (mal abgesehen von der besseren Ausrüstung und der Tatsache, dass einen Normalhaken nur halbwegs einschätzen kann, wer ihn selber behämmert hat).

Wenn die wilden Klassiker allerdings nicht mehr geklettert werden, auch ohne dass sie ein Denkmal-Schild „Nicht berühren!“ tragen, ist es nicht weit her mit der Würdigung. Unterm Strich bleiben vielleicht zwei Punkte konsensfähig:

  • a) In vielen alpinen Routen gibt es „neuralgische Punkte“, wo ein Sturz böse Konsequenzen hätte (Standausbruch, An- oder Aufprall) und die notwendige Sicherung mit konventionellen Mitteln nicht zuverlässig leistbar ist.
  • b) Wenn man saniert, sollten auch für die Fans des Kletterns ohne Bohrhaken erstklassige Ziele in allen Niveaus übrigbleiben.

Die ersten Schritte

So in etwa war die Diskussionslage, als der Bergführer und Bohrhakenkritiker Georg Kronthaler zu einem Treffen am 30. November 1992 in Kufstein lud, das zur Gründung des „Arbeitskreises Wilder Kaiser“ führte. Zusammengesetzt wurde das Gremium dann aus Vertretern von DAV- und ÖAV-Zentralverbänden und -Sektionen, von Bergrettung, Bergführersektionen und Alpinpolizei (später wuchs die Gruppe auf knapp 20 Personen an).

Moderiert vom ÖAV-Ausbildungsleiter Michael Larcher, inspiriert von Nicho Mailänder (im DAV für Klettern und Naturschutz zuständig) und mit vielen Aktiven, die Sanierungen und dem Bohrhaken teils skeptisch, teils positiv gegenüberstanden, wie Georg Kronthaler oder Paul Koller.

Es war ein Experiment: Vertreter verschiedener Fachorganisationen fürs Alpinklettern sollten sich einigen, wie eine Sanierung klassischer Kaiser-Routen so geschehen könnte, dass sie zeitgemäße Absicherung mit Respekt für Traditionen in Einklang bringt – und dafür weitreichende Akzeptanz erfährt.

Zuerst stand allerdings eine rechtliche Frage im Raum: Wer in quasi offiziellem Auftrag Bohrhaken setzt – macht sich der damit haftpflichtig? Das Protokoll eines juristischen Expertengesprächs von 1988 brachte Entwarnung: Eine „Verkehrssicherungspflicht“ entstehe nicht, da Begeher in „völliger Eigenverantwortung“ kletterten.

Lediglich ein „Auswahlverschulden“ durch ungeeignetes Material oder inkompetente ausführende Personen gelte es zu vermeiden. Deswegen gab Pit Schubert bei den ersten Sanierungsaktionen eine Einweisung ins korrekte Setzen der Haken – und zu diesen wurde protokolliert: „Der Arbeitskreis Wilder Kaiser ist der Meinung, dass eine zuverlässige Absicherung mit Normalhaken nicht immer gewährleistet ist.“ Für die Sanierungen wurden also grundsätzlich Verbundanker („Klebehaken“) verwendet, erst in späteren Jahren auch Spreizanker.

Die Sanierungs-Projektliste

Nur: Was und wie sollte nun saniert werden? Vier Routen wurden für einen ersten Testlauf ausgewählt. Jeweils zwei Seilschaften (gemischt deutsch-österreichisch) sollten sie klettern und danach vorschlagen, an welchen „neuralgischen Stellen“ Bohrhaken wünschenswert wären. Nach Abstimmung im Arbeitskreis (AK) sollten diese dann angebracht werden, die Materialkosten wollten sich ÖAV und DAV teilen.

Erstbegehung der Totenkirchl-Westwand von Willi von Redwitz und Hans Dülfer
Willi von Redwitz (links, Bild gegenüber) und Hans Dülfer hinterließen mit der Erstbegehung der Totenkirchl-Westwand 1913 ein alpinhistorisches Denkmal. In den 1990ern wurde es saniert und an
Standplätzen und „neuralgischen Stellen“ wenige Bohrhaken gesetzt. Wie weit muss alpiner Denkmalschutz heute gehen? Foto: Archiv DAV

Ein recht bürokratisches und zeitaufwändiges Verfahren. Aber die Situation war angespannt. Und entsprechend zurückhaltend waren auch die Maßnahmen, die vorgeschlagen, abgestimmt und umgesetzt wurden: Der „Dreierweg“ am Leuchsturm sollte sechs Haken bekommen, die Zettenkaiser-Ostwand fünf, die „Göttner“ an der Karlspitze acht und der „Heroldweg“ am Totenkirchl genau zwei.

Eine sehr zurückhaltende Definition der „neuralgischen Punkte“. Aber es sollte ja akzeptanzfähig sein – und immerhin brachte es schon eine deutliche Verbesserung der Sicherungssituation für die heikelsten Stellen (später wurde teils noch nachsaniert).

Und trotzdem war es nicht allen willkommen: Die Haken am Zettenkaiser wurden umgehend abgesägt. Laut Protokoll jedoch vermutlich, weil „ein im Arbeitskreis nicht vertretener Bergsteiger ohne die Möglichkeit der Mitsprache mit einer Situation konfrontiert wurde“. Anzeige wurde erstattet, die Haken wieder gesetzt – und nun blieben sie drin.

Die ersten Schritte

Nach einem Jahr tauschte man sich über sonstige Rückmeldungen und Erfahrungen aus und besprach das weitere Vorgehen. Die Protokolle dokumentieren sehr unterschiedliche Sichtweisen, die offen und in konstruktivem Geist diskutiert wurden; ein Spirit, der sich durch die gesamte niedergeschriebene Geschichte des AK zieht.

Eine Umfrage, die Michael Larcher in bergundsteigen gestellt hatte, lieferte 110 Rückmeldungen, die vor allem für eine Frage Input brachten, die bei den Aktionen aufgepoppt war: Sollten Stände prinzipiell saniert werden? Der Beschluss fiel: Alle Stände werden gebohrt, außer solchen, „an denen ohne Klemmkeile eine zuverlässige Standplatzsicherung errichtet werden kann (z. B. Sanduhr, Baum, Zacken, Köpfl …)“.

Gleichzeitig sollte aber bei jeder Sanierung auch darauf geachtet werden, „dass über die Kletterroute keine Abseilpiste entsteht“. (Wohl, um „Klassiker“ von „Sportkletterrouten“ zu unterscheiden, bei denen das Abseilen üblich ist.) Die nächsten Sanierungen fanden erst zwei Jahre später, 1995/96, statt: Predigtstuhl Dülfer-West (6 Stand-, 1 Zwischenhaken), Bauernpredigtstuhl Alte Westwand (5 SH, 10 ZH), Westliche Hochgrubachspitze Neue Südwand (2 SH, 1 ZH).

Auch die Fleischbank-SO-Verschneidung hätte man gerne saniert, aber der Erstbegeher Wastl Weiß war dagegen; erst 10 Jahre später, 2005, gab er sein Placet für die Verschneidung und für die Mauk-Westwand. Ob ein Erstbegeher durch seine Tat ein mindestens lebenslanges Bestimmungsrecht über „sein“ Stück Fels erwirbt, wird freilich immer wieder in Frage gestellt.

Route Sportherz (8) an der Karlspitze im Wilden Kaiser
Das Bohrhakenmaterial in den ersten alpinen Sportkletterrouten im Wilden Kaiser, wie hier im Bild „Sportherz“ aus 1985 oder in der benachbarten „Hessenpoker“ aus 1986, ist in die Jahre gekommen und wurde bzw. wird saniert. Kletterer Christian Hechenberger. Foto: Michael Meisl

Ob ein Sanierungs-Aktivist oder ein die Route kreuzender Erstbegeher mehr Recht hat, bleibt mindestens genauso fraglich. Im UIAA-Papier „to bolt or not to be“ jedenfalls (kuratiert von Nicho Mailänder und von der UIAA 1998 vorgestellt, 2000 verabschiedet) wird dazu der common sense der seinerzeitigen hitzigen Diskussionen festgehalten, dass eine Sanierung „nicht gegen den Willen des Erstbegehers“ stattfinden soll.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage von Georg Kronthaler von 2024, „dass sie sich damals narzisstisch etwas beweisen mussten und Denkmäler ihres Mutes hinterlassen wollten. Ziel war es, dass die Routen niemand wiederholt und man sich damit einen Namen macht. Heute sieht er das alles anders und entspannter“, steht im AK-Protokoll. Altersweisheit statt Ethik-Heldentum?

Verfahren im Wandel

1997 wurde die Rittlerkante zum soundsovielten Mal saniert – mit dem erleichterten Verfahren, dass die damit Beauftragten bei der Begehung direkt entscheiden sollten, wo denn wirklich „neuralgische Stellen“ lägen (es wurden gerade mal zwei).

Für die meisten Projekte blieb es beim komplexen Abstimmungsverfahren; etwa auch für die Christaturmkante, wo wegen der verwickelten Routenführung auch erstmals ein „strategischer“ Zwischenhaken genehmigt wurde.

Ob bei längeren Technopassagen (A0, A1) jeder Normal- durch einen Bohrhaken ersetzt werden sollte, wurde anlässlich der „Rebitsch-Spiegl“ in der Fleischbank-Ostwand diskutiert – mit dem Ergebnis, dass an ungefährlichen Stellen eine Rostgurke zum „Nullern“ reichen kann.

Ähnlich wie Georg Kronthaler hat auch der AK Kaiser sich im Lauf der Zeit gewandelt, angesichts von Hallenboom, Plaisirwelle und Overtourismus. Sogar der berühmt-berüchtigte „Woll-Woll“ in der Mauk-Westwand erhielt bei der Sanierung 2005 zwei Zwischenhaken, die auch bei nachträglichen Diskussionen bestätigt wurden.

In anderen Routen wurden zusätzliche Haken nachgesetzt oder entfernt – in den Sitzungsprotokollen spiegelt sich auch der Einfluss und Austausch mit anderen Regionen, wo Arbeitskreise gegründet oder Sanierungsaktionen organisiert wurden (Tannheimer, Schüsselkar, Kalkkögel, Halleranger, Berchtesgadener, Hochkönig).

Die Linie der Südtiroler Bergführer, die in den Dolomiten Klassiker nur mit Normalhaken „sanieren“ wollen, wurde für den Kaiser abgelehnt; bis heute heißt es: Wenn neues Metall, dann normgerechte Bohrhaken.

Mittlerweile wird für die Sanierungen auch wieder Honorar gezahlt wie von 2000 bis 2007, der Betrag liegt allerdings deutlich unter einem Bergführersatz. Und man reißt sich nicht wirklich um den Job: Nicht zuletzt wegen fehlender personeller Ressourcen wurden seit 1994 gerade mal 57 Routen saniert (mit 840 Haken), knapp zwei pro Jahr.

Andererseits entspricht das auch der Grundidee des AK, „nur wenige, häufig begangene“ Modetouren zu sanieren. Und das langsame Vorgehen konnte auch gründlich und abgewogen sein. So wurden auch die anderen beiden Kernziele verfolgt: „Keine Autobahnen, die viele anlocken (kein Plaisir).

Und für die Jungen die Möglichkeit bewahren, den Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln zu lernen.“ Trotz einer gewissen Renaissance des „Trad“-Gedankens sind sanierte Klassiker beliebter als unveränderte. „Geklettert wird dort, wo saniert wurde“, konstatierte 2007 Josef Astl von der Bergrettung Kitzbühel, AK-Mitglied seit der ersten Stunde.

Und ob durch die besseren Haken inkompetente Aspiranten angelockt werden, die dann (zu) lange Begehungszeiten brauchen, wie auf einer Sitzung gesagt wurde, müsste nachgeprüft werden.

Der AK wird wieder belebt

Ab 2009 kam der Arbeitskreis nicht mehr zusammen, die meiste Arbeit schien getan. Erst 2021 gab es wieder ein (Zoom-)Treffen, 2024 eines live auf der Griesner Alm; ausgelöst durch die Anfrage eines Kletterers, der die Routen „Spiel der Narren“ und „Bellissima“ am Predigtstuhl sanieren wollte – auch die dort gesetzten Bohrhaken waren vom Zahn der Zeit angenagt.

24 Institutionen entsandten ihre Vertreter in den AK; man war sich einig, dass er als Anlaufstelle und zur Koordination weiterhin wichtig sei. Denn bei Zunahme des Klettersports müsse geregelt werden, was im Kaiser passiert; es gebe einen Sanierungs-Wildwuchs und alternde Bohrhaken brächten neue Probleme.

Die Koordination hat nun der Local (und bergundsteigen Chefredakteur) Gebi Bendler von Michael Larcher übernommen. Das Selbstverständnis des „neuen“ AK, dem etliche „alte Hasen“ angehören, hat sich nicht wesentlich gewandelt:

  • Das Thema Sanierungen im Kaiser wird als „im Großen und Ganzen abgeschlossen“ betrachtet. „Es gibt inzwischen viele Plaisirrouten und Sportkletterrouten, auf die weniger erfahrene oder weniger risikobereite Alpinkletter: innen ausweichen könnten.“
  • Sollte es weitere Sanierungen in Absprache geben, sollten keine „Autobahnen“ aus den Routen werden; Orientierungshaken und Farbmarkierungen werden abgelehnt.
  • Wilde Sanierungen“: Neue Bohrhaken , die in den letzten Jahren ohne Rücksprache mit dem AK (seit 2009 keine Versammlung mehr) in alten Routen angebracht wurden, werden nicht entfernt. In Zukunft sollen Sanierungen aber wieder vom AK abgesegnet werden. „Sollten in Zukunft wilde Sanierungen passieren, wird man sich überlegen, die Haken zu entfernen.“
  • Die AK-Kompetenz bleiben Mehrseillängenrouten; in Wege- oder Klettersteigprojekte mischt man sich nicht ein, außer wenn Kletterrouten davon betroffen sind (z. B. Klettersteig kreuzt Klettertour).
  • Erstbegehungen: Nach wie vor spricht sich der AK dafür aus, diese nur „von unten“ zu machen. Ebenso wird der „removable bolt“ kritisch betrachtet: „Die Verwendung des ‚removable bolts‘ ist wie das Einbohren von oben. Jede:r kann sich so technisch hinaufbohren.“
  • Gebohrte Neutouren sollten bestehende nur im Ausnahmefall kreuzen (wenn kreuzen, dann nur an Standplätzen und/oder ohne den Charakter der bestehenden Route zu verändern). Falls die Erstbegeher noch leben, sollte man sich mit diesen abstimmen.
  • Da Konflikte zwischen Grundbesitzern und Alpinkletterern leider auch über der Waldgrenze zunehmen (Rechtsstreit in Kärnten wegen Anbringung von Bohrhaken in einer alpinen Neutour, angedrohte Entfernung von Bohrhaken in Mehrseillängenrouten in den Leoganger Steinbergen usw.), wünscht sich der AK über Neutourenprojekte informiert zu werden, um aufklärend und schlichtend eingreifen zu können. Email an: bergsport@alpenverein.at
  • Gebi Bendler sieht den AK bei zukünftigen gebohrten Erstbegehungen „nicht in der Rolle der heiligen Inquisition, die bestimmt, was richtig und falsch ist. Wir sollten aber darauf hinwirken, dass der Abenteuerspielplatz auch für zukünftige Generationen – egal ob fürs Plaisirklettern oder puristisch orientiert – erhalten bleibt und keine neuen ‚Bohrhakenkriege‘ unter den Kletterern, aber auch nicht mit anderen Interessengruppen (Grundbesitz, Jagd) ausbrechen.“
  • Für diese Aufgaben sollte „ein Livetreffen alle drei Jahre“ und/oder eine Email an bergsport@alpenverein.at ausreichend sein.

Organisiert oder chaotisch?

Nach gut 30 Jahren kann man den Arbeitskreis Wilder Kaiser als Erfolgsmodell sehen; ähnliche Gruppen hat er mit inspiriert. Der Absicherungsstandard für viele schöne Kaiser- Klassiker wurde deutlich angehoben – nicht auf Plaisir- Niveau (übrigens sind einige Plaisirrouten immer noch recht gefährlich), aber auf ein Alpin-Niveau mit Augenmaß.

Und eine Abflex-Anarchie blieb aus. Gleichzeitig entstanden viele Neutouren mit Sportkletter-Standard, so dass der Wilde Kaiser nicht komplett gezähmt ist, aber für alle Interessen etwas bietet. Man mag lästern, dass Frauen (mit vielleicht anderen Absicherungs-Wünschen) bei dieser Entwicklung praktisch keinerlei Rolle gespielt haben.

Und man kann immer wieder die Grundlagen in Frage stellen, die in Papieren wie „to bolt or not to be“ oder der Tirol Deklaration formuliert sind. Ob das besser wäre als die unregulierte Konfrontation zweier entgegengesetzter Maximal-Ansprüche (flächendeckend Plaisir versus konsequent Abenteuer), ist mehr als fraglich. Im Koasa jedenfalls ist das Hakenkriegsbeil seit 30 Jahren ziemlich gut vergraben.

Klettergärten mit Grundwerten

Der Arbeitskreis Wilder Kaiser beschäftig sich primär mit Mehrseillängenrouten, aber in letzter Zeit häuften sich Anfragen und Diskussionen zur Erschließung von Klettergärten. Übungsbetrieb. Auf Anregung des Arbeitskreises und der Kitzbüheler Bergführer organisierte und finanzierte die Alpenvereinssektion Kufstein (Andreas Sausgruber) die Komplettsanierung (Danke Andi Gastl und Tom Rabl!) des nahe des Stripsenjochhauses gelegenen Hundskopfklettergartens für den Kursbetrieb.

Mehrseillängencoachings können dort nun noch besser als zuvor durchgeführt werden. Braucht es mehr solcher Übungsklettergärten fürs Alpinklettern oder reicht das Angebot? Dichtestress. Im Hauptsektor des berühmtesten Klettergebietes der Region wurden ohne Absprache mit der lokalen Klettercommunity neue Routen eingebohrt („hineingezwängt“), obwohl dort die Erschließung seit Jahren als abgeschlossen gilt, weil das bestehende Routennetz im zentralen Teil so dicht ist, dass im Abstand von zwei bis drei Metern Routen starten.

Gebi Bendler und Christoph Schranz in Route Via Aqua (7-) an der Kleinen Halt
In den letzten 30 Jahren sind viele mit Bohrhaken abgesicherte Kletterrouten im Wilden Kaiser entstanden, wie die „Via Aqua“ auf die Kleine Halt. Kletterer Gebi Bendler und Christoph Schranz. Foto: Michael Meisl

Die Community ist verärgert und fordert ein Entfernen der Haken. Hätte das nicht verhindert werden können? Besitzanspruch. Früher wurden neue Klettergärten nach Absprache mit dem Grundbesitzer von der Klettercommunity gemeinsam erschlossen. Oberstes Prinzip war es, die „Drecksarbeit“ (Bohren, Putzen) und die Freude am Einrichten und Erstbegehen mit Gleichgesinnten zu teilen.

Inzwischen setzt sich auch beim Erschließen mehr und mehr eine „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“-Mentalität durch. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Klettergarten“, so könnte man den bekannten Werbeslogan erweitern. So als ob die Erschließer die Grundherren wären (nein, sind sie nicht, sie sind auch nur geduldet), dürfen an „ihren“ Felsen nur sie neue Routen einrichten (Begründung: Sie hätten ein Gesamtkonzept und die Bohrkompetenz, andere nicht. Oder doch: ein Denkmal setzen – sich selbst?).

Was wenn Hans Dülfer nach der Erstbegehung der Fleischbank-Ostwand 1912 im Kaisergebirge die gesamte Fleischbank für sich reserviert hätte? Wer lange fragt, geht lange irr. Oder beim Reden kommen doch die „Leut zamm“? Früher kannte jeder jeden in der lokalen Klettercommunity und wenn jemand ein unberührtes Stück Fels entdeckte, sprach sich das auch bei strengster Geheimhaltung meist herum.

Derjenige, der die ersten Routen dort eingerichtet hatte, erhielt von der Community ein unausgesprochenes Vorrecht („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“) und galt dann zumindest zu Beginn der Erschließung als Art Hausmeister (Achtung: Hausmeister≠Besitzer). Wollte nun dort jemand anders auch Routen einbohren, ziemte es sich, den Hausmeister um seine Zustimmung zu bitten bzw. einfach Kontakt aufzunehmen, um sich abzusprechen.

Da der Hausmeister nicht der Grundbesitzer ist, konnte er Neutouren von anderen nicht verbieten, aber für eine positive Grundstimmung und ein gutes Zusammenleben am Fels war die Anfrage und der Austausch wichtig. Beim Reden kommen schließlich die Leute zusammen. Inzwischen ist das offenbar nicht mehr gängige Praxis. Aber was spricht dagegen?

Wie seht ihr das? Gibt es solche Entwicklungen alpenweit? Schreibt uns eure Erfahrungen und Meinungen an redaktion@bergundsteigen.at

Erschienen in der
Ausgabe #129 (Winter 24-25)

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