Dialog: Kletterseil und Säure
Frage an bergundsteigen von Amin Kraiem:
Ich habe eine wohl etwas unorthodoxe, jedoch sehr ernst gemeinte Frage bezüglich des Themas Kletterseile und Säure. Beim letzten Zustieg zu einer Klettertour war meiner Partnerin am Morgen noch etwas übel, was dazu geführt hat, dass sie leicht erbrechen musste. Ein paar Brocken fielen dabei auf unsere Halbseile. Meine Frage lautet nun: Es ist bekannt, dass Salzsäure (HCL) Kletterseile bzw. Textilien stark beschädigt. Im Magensaft liegt bekanntlich Salzsäure im Bereich von 0,5 bis 1 % vor. Kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese Konzentration zu gering ist, um das Seil in bedenklichem Ausmaß zu beschädigen, oder ist dazu gar nichts bekannt? Ich hoffe, diese Frage ist Ihnen nicht zu abwegig und ich freue mich sehr auf Ihre Antwort.
Antwort: Michael Larcher
Du kannst ganz entspannt bleiben. Der Zwischenfall ist in keiner Weise geeignet, ein Bergseil zu schädigen. Nähere Infos bietet u. a. die Website von Edelrid mit dem Artikel „Schädigende Substanzen für Seile und Schlingen“. Siehe auch Edelrid-Seilfibel, S. 34.
Auch wenn es zunächst vielleicht etwas abwegig klingt, kann Kletterausrüstung mit anderen Chemikalien, abseits von so einem kleineren gesundheitlichen Zwischenfall in Kontakt kommen. Beim Transport oder der Lagerung der Ausrüstung zum Beispiel im Auto sind Chemikalien gar nicht so weit entfernt, zum Beispiel in Form von AdBlue, Motoröl oder Zusatzbatterien.
Auch Cola kann in diesem Zusammenhang als Chemikalie gesehen werden, hättest du das gedacht? Besonders Kunststoffe sind von der Schädigung durch chemische Einflüsse betroffen und weitaus anfälliger als Metalle.
Wichtig und deshalb gleich Vorneweg: der Kontakt chemischer Substanzen mit der Kletterausrüstung sollte generell vermieden werden. Da die Zusammenhänge und Reaktionen für einen Laien komplex und nicht einfach einzuschätzen sind, sollte bei Kontamination mit Substanzen, die man nicht kennt, vor allem aber bei Kontakt mit starken Säuren und Basen (z.b. Salzsäure, Griffwaschmittel oder Rohrreiniger) im Zweifelsfall die betroffene Kletterausrüstung ausrangiert werden.
Edelrid hat in diesem Zusammenhang textile Schutzausrüstungen gegen Absturz (bestehen zumeist aus Polyamid (PA), Polyester, genauer gesagt Polyethylenterephthalat (PET) und ultrahochmolekulares Polyethylen (UHMWPE, besser bekannt als Dyneema®)) auf die Beständigkeit gegen chemische Einwirkungen getestet. Sie unterteilen die möglichen Auswirkungen in
A) physikalisch
Wenn ein Medium nicht mit dem Kunststoff chemisch reagiert, kann es dennoch seine Eigenschaften physikalisch verändern, z. B. die Oberflächenstruktur, die Reibungswerte oder die Materialsteifigkeit beeinflussen. Diese physikalischen Veränderungen sind normalerweise reversibel und können durch Spülen mit der Chemikalie oft rückgängig gemacht werden.
B) chemisch
Die Chemikalie reagiert mit dem Kunststoff und verändert seine molekulare Struktur, indem sie zwischen die Kettenglieder des Kunststoffs eindringt und die Bindungen aufweicht oder zersetzt. Selbst geringe Mengen können dabei signifikante Änderungen der mechanischen Eigenschaften verursachen.
Bei Seilen und Schlingen kann die Kontamination mit diesen Substanzen problematisch werden:
Achtung: die von Edelrid erstellte Liste ist nur exemplarisch und umfasst keine vollständige Liste! Bei gemischten Substanzen ist außerdem die Konzentration nicht immer klar nachvollziehbar, dies gilt es immer zu berücksichtigen!
Mehr Details findest du auch auf der Website von Edelrid.