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Der neue Lawinenlagebericht||Informationspyramide nach EAWS-Standards|Abb. 3 Beispiel aus der Steiermark|Abb. 4 Beispiel aus Niederösterreich|Beispiel aus Salzburg|Abb. 6 Beispiel aus Kärnten|Friedrich Salzer: Referatsleiter Lawinenwarndienst Niederösterreich||Florian Stifter: Lawinenwarner|Bernhard Niedermoser|Arnold Studeregger

Der neue Lawinenlagebericht

für Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Steiermark und Niederösterreich

Mehr als nur ein neues Gesicht!

Aufgrund der Zurufe diverser Nutzergruppen haben die Lawinenwarndienste in den letzten 5 Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. Die größte Änderung gab es für die Wintersaison 2016/2017. Die Lawinenwarndienste Niederösterreich, Kärnten und Steiermark haben den täglichen Lawinenlagebericht am Vorabend veröffentlicht. So konnten den Tourengehern mehr Zeit, aktuellere Informationen und letzten Endes auch mehr Sicherheit für eine gute Planung ihrer Schitour verschafft werden. Damit konnten die Lawinenwarndienste auf einen von vielen Nutzern geäußerten Wunsch reagieren und gleichzeitig die Qualität des Angebotes erhöhen. Alle übrigen Warndienste folgten dem eingeschlagenen Weg. Aus dieser Entwicklung heraus ergab sich eine enge Zusammenarbeit zwischen den Lawinenwarnern der einzelnen Dienste, da es nun mehr zeitliche Ressourcen, gab sich am Nachmittag untereinander zu koordinieren.  Es ist mittlerweile doch einiges an Zeit vergangen und so sind die IT-Systeme der meisten Lawinenwarndienste „in die Jahre“ gekommen.  Gleichzeitig verlangt der Nutzer der Gegenwart einheitliche, leicht verständliche Produkte ohne Landes- und Bundesgrenzen. Beim 3. Internationalen Lawinensymposium 2019 in Graz ist dies breit diskutiert und gefordert worden.

Höchste Zeit nach einer gemeinsamen und länderübergreifenden Lösung zu suchen. Da die Zeit für eine europäische oder österreichische Lösung derzeit leider noch nicht reif ist, haben sich fünf Lawinenwarndienste in Österreich zusammengetan, um ein einheitliches System zu entwickeln und umzusetzen.

Arnold Studeregger, Bernhard Niedermoser, Florian Stifter, Willi Ertl und Fritz Salzer erklären, was sich im Sommer 2020 in Salzburg, Kärnten, Oberösterreich und Niederösterreich getan hat und welche Verbesserungen es für die Nutzer in diesem Winter (2020/2021) geben wird.

Die Ausgangsituation: kompliziert, mit Ländergrenzen, mühsam

Ein Beispiel für eine typische Situation: Die Skitourengruppe sitzt am Donnerstagabend in Linz, plant für das Wochenende und stellt sich folgende Fragen: Wo hat es zuletzt wie viel geschneit? In der Rax-Schneeberggruppe oder doch in den Schladminger Tauern? Wie ist der Schneedeckenaufbau? Ist die Schneedecke im Höllengebirge oder im Tennengebirge stabil? Wie viel Wind war dabei?

Wie ist die regionale Bergwetterprognose? Gibt es Sonnenschein in den Wölzer Tauern oder Nebel in der Osterhorngruppe?

Primäre Anlaufstelle sind natürlich die Portale der Lawinenwarndienste. Für die Tourengruppe wird es nun aber mühsam. Vier verschiedene Webseiten von vier Lawinenwarndiensten durchschauen. Vergleichen. Suchen. Der Inhalt ist zwar gleich, aber in unterschiedliche Kleider gepackt. Da wird die Auswahl des passenden Tourengebietes mühsam!

Das Beispiel zeigt einerseits, dass Skitourengeher mobil sind und länderübergreifend planen und andererseits, dass Skitouren und Lawinensituationen keine formalen und politischen Grenzen kennen.

Was es seitens der Skitourengruppe braucht, sind gute Tourenplanungstools ohne Grenzen. Spätestens jetzt stößt die Gruppe mit dem alten System an einige Grenzen. Die Lawinenbeurteilung ist in Österreich Länderkompetenz. Trotz der engen und guten inhaltlichen Zusammenarbeit zwischen den Lawinenwarndiensten hat das föderale System in den letzten Jahrzehnten auch zu Inselentwicklungen und eigenen Ansätzen geführt (Abb. 1).

Die Vision eines gemeinsamen und vereinheitlichten Lageberichtes auf einem gemeinsam genutzten IT-System – was nebenbei auch einiges an Kosten und Ressourcen spart – war nun der Ausgangspunkt für die Neugestaltung der Berichte aus Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Steiermark und Niederösterreich. Mit dem Bewusstsein, dass die Lawinengefahr keine Bundesländergrenzen kennt, wurde das Projekt im Frühling 2020 ins Leben gerufen und über die Sommermonate umgesetzt.

Abb. 1 Die unterschiedlichen graphischen Lösungen der Lawinenwarndienste.

Das Ziel: einfach, länderübergreifend, intuitiv

Unser Ziel war von Beginn an klar: Ein gemeinsames Eingabesystem für alle Lawinenlageberichte und ein gemeinsamer Output, der graphisch überall gleich ausschaut und länderübergreifende Produkte serviciert.

Zusammenarbeit der Bundesländer unter der Federführung der ZAMG

Am Anfang des Prozesses standen jene Personen im Fokus, die den Lawinenlagebericht verfassen: Ein gemeinsames Eingabetool musste erarbeitet werden, welches die Bedürfnisse und Rahmenbedingungen der einzelnen Lawinenwarndienste unter einen Hut bringt.

Ein konstruktives Miteinander ist entstanden, trotz teilweise unterschiedlicher administrativer und organisatorischer Rahmenbedingungen. Kompromisse und gegenseitiges Verständnis waren die Garanten für einen sehr zügigen und engagierten Projektfortschritt.

Neben der einheitlichen Arbeitsweise, die ein gemeinsames Ein-und Ausgabetool erzeugt, bietet es auch den Rahmen für eine deutlich bessere und engere Zusammenarbeit zwischen den benachbarten Lawinenwarndiensten.

Ein Blick über die Landesgrenzen hilft

Die LawinenwarnerInnen aus den fünf Bundesländern können beim Verfassen des Lageberichtes den Vorschlag der Kollegin für die Grenzregion sehen und diesen auch übernehmen. Oder auch anders herum: So kann zum Beispiel der Lawinenwarner aus Oberösterreich einen Vorschlag für das Tote Gebirge in der Steiermark machen. Der Lawinenwarner bzw. die Lawinenwarnerin in der Steiermark kann den Vorschlag aus Oberösterreich übernehmen, bearbeiten oder auch verwerfen, wenn er nicht mit den lokalen Infos der steirischen Geländebeobachter zusammenpasst. Das neue Werkzeug der Lawinenwarndienste geht auch einher mit einem intensiveren Austausch der Lawinenwarndienste per Telefon und Skype, noch mehr als in den letzten Jahren.

Am Ende des Prozesses steht der Nutzer. Und der will präzise Informationen, die räumlich möglichst genau runtergebrochen werden, in einem Produkt, das verständlich und einfach ist.

Aufbauend auf den Standards der Europäischen Lawinenwarndienste geht man jenen Schritt, den die Schweiz und im letzten Jahr auch Tirol bereits gegangen sind. Lawinenregionen werden nicht mehr in fixe Flächen eingeteilt, sondern in Kleinstregionen, welche je nach Situation unterschiedlich zusammengefasst bzw. gruppiert werden. Salzburg wird zum Beispiel in 23 Kleinstregionen aufgeteilt anstatt der bisher 6 Fixregionen. In der Steiermark erhöht man von 9 auf 18. Man spricht von dynamischen Regionen. Wichtig ist dabei, dass sich sämtliche Infos (Lawineneinstufung, Lawinenproblem, Gefahrenbeurteilung, Schneedeckenaufbau und Wetter) nur noch auf diese dynamischen Regionen beziehen. Es gibt keinen zusammenfassenden Bundeslandtext mehr.

Damit folgen die fünf Lawinenwarndienste der aktuellen Entwicklung im Zentralalpenraum: dynamisch, so feingliedrig wie möglich, nahe am Nutzer.

Standardisiert: die Struktur und der Inhalt des neuen LLB

Der Aufbau eines Lawinenlageberichtes und einer Lawinenvorhersage folgt dem Konzept der Informationspyramide (Abb. 2).

Das Wichtigste zuerst und ganz oben. Wer sich wenig Zeit nimmt, soll zumindest die Kernaussage mitnehmen. Dieser europaweit von allen Lawinenwarnungen verfolgte Grundsatz – eben die Informationspyramide.

Abb. 2 Aufbau der Informationspyramide nach EAWS-Standards – abgewandelt auf das neue Ein- und Ausgabesystem

Das neue Gesicht: einheitliches Layout des Lawinenlageberichtes

Die Abb. 3 bis 6 zeigen exemplarisch, wie die Lawinenvorhersage ab dem Winter 2020/2021 in Salzburg, Oberösterreich, Kärnten, Steiermark und Niederösterreich im Internet dargestellt wird.

Der User bekommt ein gleiches, einfaches und schlichtes Design in allen Bundesländern präsentiert. Die Publikationen der Lawinenlageberichte bleiben derzeit auf den Homepages der Bundesländer.  Die Gefahrenkarte zeigt das eigene Bundesland hervorgehoben und die Einstufung der Nachbarregionen etwas transparenter (Abb. 3). Mit einem Klick kann bereits von einer Übersichtskarte auf den Nachbarbericht geklickt werden. Dazu wird ein neuer Tab geöffnet und man befindet sich beim angrenzenden Lawinenwarndienst. Somit wird ein leichtes Hin- und Herwechseln sichergestellt.

Abb. 3 Beispiel aus der Steiermark

Die Übersichtskarte ist interaktiv, d.h. der Nutzer kann gruppierte (dynamische) Regionen auswählen, den Kartenausschnitt vergrößern/verkleinern und verschieben. Ein Klick auf die Karte zeigt die Gefahrenstufe und ihre Höhenabgrenzung bzw. die ausgegebenen Lawinenprobleme für diese Region. Man erkennt auch das genaue Gebiet, für das die Gefahrenbeurteilung gilt. Zusätzlich ist die Beschreibung der Gebirge aufgelistet, für die die Gefahrenstufe gilt.

Das Ganze ist einfach, intuitiv und durchdacht. Ein abgestimmter Mix aus verständlichen und bekannten Symbolen, schlichten Karten, Schlagzeilen, kurzen Texten und Gebirgsgruppenbezeichnungen macht das Produkt leicht „lesbar“.

Abb. 4 Beispiel aus Niederösterreich

Das Rundherum

Eine weitere Verbesserung und Standardisierung für den Nutzer wird die einheitliche Veröffentlichung der Lawinenwarnung. Es wird täglich um 18:00 Uhr der Lawinenlagebericht der fünf Bundesländer gleichzeitig publiziert. Somit muss der Nutzer nicht mehr auf die unterschiedlichen Zeiten der Lawinenwarndienste warten. In den Bundesländern Steiermark und Niederösterreich werden automatisch ab der Gefahrenstufe 4 um 08:00 Uhr Updates des Lawinenlageberichtes veröffentlicht. Ein situationsbezogener Update ist natürlich weiterhin in allen Regionen möglich. 

Noch etwas Besonderes: der neue, länderübergreifende Aboservice!

Die Alpinistin, der Alpinist hat die Möglichkeit, sich den Lawinenlagebericht einer oder mehrerer Kleinstregionen zu abonnieren. Neu ist, dass man sich Kleinstregionen aus den fünf Bundesländern auswählen kann! Beispielsweise will ich das Salzkammergut und die Osterhorngruppe täglich die ganze Saison bekommen, an einem verlängerten Wochenende aber auch jenen der Kreuzeckgruppe, weil ich dort einen Skitourenurlaub machen will. Der Newsletter wird als PDF übermittelt und kann auch ausgedruckt werden.

Abb. 5 Beispiel aus Salzburg

Wo gibt es die guten Zusatzinfos?

Altbewährte Zusatzinfos zu den reinen Lawinenlageberichten wie etwa der Zugang zu LAWIS (länderübergreifende Darstellung der Lawinenunfälle, Schneeprofile, Wetterstationen), Tourengeherforen, Schneehöhenkarten usw. können jeweils auf den Seiten der Lawinenwarndienste abgerufen werden.

Der zweite Schritt bzw. der Ausblick

Der erste große Schritt ist getan. Wir blicken mit Spannung auf weitere Entwicklungen und brauchen dazu auch eure Rückmeldungen und Impulse in diesem Winter! Die Weiterentwicklung in den kommenden Jahren – so unsere Meinung – führt auf alle Fälle über ein noch intensiveres Zusammenarbeiten der Lawinenwarndienste, über offene, standardisierte Systeme und Produkte und die permanente Suche nach der Nähe zum Nutzer.

Wie es den Lawinenwarndiensten mit dem gemeinsamen Tool ergangen ist, wird am 06.11.2021 beim 4. Internationalen Lawinensymposium in Graz berichtet.

Abb. 6 Beispiel aus Kärnten

weiterführende Links:

https://lawine.salzburg.at/lawinenbericht/aktuell
https://lawine-kaernten.at/
https://oberoesterreich.avalanche-warnings.eu/
https://www.lawinenwarndienst-niederoesterreich.at/

Erschienen in der
Ausgabe #113 (Winter 20-21)