Bouldern in der Stadt: Eine Hommage an Probleme im Beton
Ein junger Mann umarmt einen meterhohen Betonbären, der auf einem Betonsockel am Eingang des Historischen Museums in Bern thront. Er lacht, seine Finger voller Chalk. Wie schwierig das Problem des Bärens ist, konnten Kletterinnen und Kletterer einst in einem Boulderführer nachlesen, der kurz nach seiner Veröffentlichung wieder verboten wurde. Aber um die Grade ging es ohnehin nie – schon gar nicht für die Autoren, die bis heute unerkannt bleiben wollen.
Let it Bärn: Mehr als nur Urbanes Klettern in der Stadt
In der extrem konservativen Schweiz der 90er rebellierten zwei junge Berner Kletterer – kreativ und gewaltfrei. Als Antwort auf das strenge Polizeiregime und die vielen Kletterverbote, entstand das Bärn Boulder Guidebook. Ein selbstgestalteter urbaner Boulderführer, mit dem Dr. Bomb und Dr. Bäri den Strukturen der Stadt einen neuen Sinn gaben – und die Stadt zurückerobern wollten. Denn Bewegung, so Dr. Bäri, sei ein Grundbedürfnis des Menschen.
„Solange sich der Mensch bewegt, macht er keine anderen doofe Sachen.“
Wieso also sollte man den Menschen also verbieten, sich auf den Strukturen der Stadt zu bewegen? „Wie beim Skaten oder Urban Golf geht es darum, den öffentlichen Raum zum Spielplatz zu machen“, sagen die beiden. Für alle – egal wie reich, alt oder stark. So wurde der Boulderführer zu einem kreativ-rebellischen Manifest, das das Recht auf Spaß und freien Ausdruck einforderte. Ein friedliches Aufbegehren gegen starre Strukturen, das zum Austesten von Grenzen ebenso ermutigte wie zum Hinterfragen des Status quo. Denn gerade Letzteres, so Bäri und Bomb, fehle der neuen Generation.
Urban Boulder: Die Probleme der Stadt
Der limitierte Boulderführer Bärn Boulder Guidebook wurde kurz nach seinem Erscheinen verboten – und zum Mythos, der nicht nur die Bernerinnen und Berner inspirierte. Neben der Stadt Bern, die mehr oder weniger zum internationalen Geburtsort des City-Boulderns wurde, sind auch in anderen Städten starre Strukturen zu lösbaren Problemen geworden. Mal legal, mal illegal.
In München beispielsweise teilt das Kraxlkollektiv auf seiner Website seine Lieblingsboulderwände in und um die Stadt. Mit der „Riesigen Rosi“ haben sie sogar eine 700 Quadratmeter große, öffentlich zugängliche Boulderwand in einer Unterführung realisiert. Auch bei Freiburg wurden an einem Pfeiler der Pérollesbrücke Kletterrouten eingerichtet, ebenso wie an der bekannten Staumauer Luzzone im Tessin.
In Wien verrät der Boulderführer Vienna Walls – The Urban Boulder Book die besten urbanen Boulderspots der Stadt. Vom Nasenbogen am Döblinger Steg über den messerscharfen Highboulder Machete an der Flexwand bis hin zum extrem harten Hole in One am Handelskai oder der Urban-West-Verschneidung am Pier 9 hat Wien nämlich so einiges zu bieten.
Allem gemeinsam ist, dass weder die Schwierigkeit noch die Eroberung der Betonwände im Vordergrund stehen. Sondern der Glaube an das Klettern als aktiven Lebensstil, der auf Regeln und Rankings verzichtet. Damit erscheint es fast ironisch, dass das Video zeitgleich mit den Kletter- und Weltmeisterschaften in Bern veröffentlicht wurde. Vielleicht ist es eine Erinnerung daran, dass wir auch heute noch – wie Dr. Bäri und Dr. Bomb – an die eigentliche Essenz des Kletterns glauben sollten. Klettern war, ist und soll Ausdruck von Kreativität, Freiheit und Freude an der Bewegung sein.
„Fingertips to architecture, hanging from structures is no attempt to tear them down. We reignite what’s grey and cold with something warm and colorful: Climbing. We are here to play.“ Dr. Bäri & Dr. Bomb