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Portrait Peter Lechner
von Pia Payer
07. Jun 2024 - 9 min Lesezeit

bergsönlichkeit: Peter Lechner

Peter Lechner war Teil des Junge Alpinisten TEAM, des Ausbildungsprogramms der Österreichischen Alpenvereinsjugend. Die Zeit beschreibt er als eine prägende Erfahrung, die ihm neue Perspektiven, gute Freunde und schöne Erinnerungen beschert hat. Was er aus diesen zwei Jahren mitgenommen hat, gibt er nun als Jugendleiter in Wattens in Tirol weiter. Wir haben mit ihm über Ehrenamt, Leistung und Kaffee gesprochen.

Was ist dein Auftrag als Jugendleiter? Außer im richtigen Moment die Bialetti anzuwerfen?

Bei meinen ersten Touren im alpinen Gelände war ich oft nach dem Motto „trial and error“ unterwegs. Wir sind einfach rausgegangen und haben unsere eigenen Strategien entwickelt. Dabei hatte ich schon oft einfach viel Glück. Jetzt sehe ich meine Aufgabe darin, meine Erfahrung weiterzugeben, um unseren Gruppenmitgliedern diese Phase möglichst zu ersparen. (lacht)

Ich will meine Gruppe begleiten, damit sie risikobewusster unterwegs ist, als wir es damals waren. Besonders wichtig ist die gemeinsame Tourenplanung, dabei werden vor allem die Soft Skills trainiert. Alle können sich einbringen, man tauscht sich darüber aus, was jeder und jede kann und wie es einem momentan geht, und dann plant man gemeinsam eine Tour, die für alle passt.

Peter Lechner beim Tradklettern in Tschechien
Peter Lechner beim Tradklettern in Tschechien mit dem Junge Alpinisten TEAM des ÖAV. Foto: Ramona Waldner

Man geht nicht einfach bei einer ausgeschriebenen Tour mit, sondern die Teilnehmer sollen sich überlegen: Was kommt für uns in Frage? Wie sieht das Wetter aus und was ist da passend? Welches Equipment brauchen wir dazu? Das fördert das selbstständige Unterwegssein. Die Tour führe ich dann nicht an, sondern wir sind gemeinsam unterwegs. Das funktioniert in unserer Gruppe sehr gut.

Wenn jemand unsicher ist, dann helfen sich alle untereinander. Nach der Tour diskutieren wir noch über den Tag. Das Wichtigste danach ist auf jeden Fall der Kaffee!

Eine gute Tour und ein guter Kaffee danach ist für mich der Gipfel der Gefühle

Gab es einen Schlüsselmoment in deiner Zeit beim Junge Alpinisten TEAM, wo du dir gedacht hast: So will ich auch mit jungen Menschen unterwegs sein?

Die ganze Zeit war irgendwie ein Schlüsselmoment. Am Anfang hat man die Mentoren nur vom Namen her gekannt und nicht persönlich. Man hat nur gewusst, dass sie richtig, richtig gut sind. Bei den ersten Treffen war man doch etwas eingeschüchtert, aber es hat sich dann so schnell ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Wir waren wirklich gemeinsam unterwegs.

Die coolsten Momente waren für mich bestimmt, als wir in Dreierseilschaften alpinklettern waren, zwei Junge Alpinisten und ein Mentor. Am Standplatz haben wir Zeit gehabt, über das eine oder andere zu plaudern. Da hat man so viel mitgenommen im Bezug auf Hard Skills und auf Soft Skills. Unsere Mentoren haben uns bei allen Entscheidungen mit einbezogen, aber sie haben uns auch Fehler bzw. Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt, was wichtig war.

Vor meiner Zeit im Junge Alpinisten TEAM war mein Blick auf das „Jugendleiter-Sein“ eher, dass die den Ton angeben. Jetzt finde ich, dass man gemeinsam unterwegs sein sollte und die Gruppe auch voneinander lernen sollte.

Peter Lechner

  • Alter: 23
  • Heimatort: Wattenberg, Tirol
  • Beruf: Student
  • Kaffee oder Tee: Kaffee, definitiv
  • Funktion im Alpenverein: Tourenführer, Jugendteam
  • Sommer oder Winter: Die Mischung macht’s!
  • Beste Tour: Unsere Erstbegehung „Washasta ehweh“ in Peru (Expeditionsbericht Peru)
  • Was machst du am Berg am liebsten? Alpinklettern ist einfach meine liebste Disziplin
  • Was macht für dich eine gute Seilschaft aus? Gute Kommunikation, Vertrauen und die richtige Portion Spaß!
  • Du hast einen Monat frei, was würdest du tun? In den VW-Bus hüpfen und nach Chamonix düsen
  • Wer inspiriert dich? Zur Zeit Alexander von Humboldt mit seinem Zugang zur Natur
  • Deine Kraftquelle: Der Morgenkaffee zuhause mit Blick aufs Inntal
Portrait Peter Lechner

Was hast du in den zwei Jahren gelernt? Im Alpinismus und über dich?

Mir wurde vor Augen geführt, wie wichtig eine gute Planung ist. Die kann dir das Leben in den Bergen echt erleichtern. Es war mir schon immer bewusst, dass planen wichtig ist, aber das war sowohl bei meinen Touren draußen wie auch im täglichen Leben immer etwas, was ich schnell erledigt haben wollte. Ich habe mich immer gleich auf das Projekt an sich gestürzt und so Zeit vergeudet oder unnötige Fehler in der Ausführung gemacht.

Was bedeutet Leistung für dich?

Also Leistung. Das ist ein schwieriges Thema. Ich rede mir gerne ein, dass ich mir selbst keinen Leistungsdruck mache. Aber Leistung hat so viele Facetten. Was für mich keinen Sinn macht, ist, sich mit anderen zu vergleichen, ob beim Klettern, an der Uni oder auch in anderen Lebenssituationen. Jeder hat andere Vorkenntnisse, investiert unterschiedlich viel Zeit.

Und trotzdem ertappt man sich immer wieder dabei, wie man sich vergleicht. Was ich schon gut finde, ist der Anspruch, den man an sich selbst hat. Ich will zufrieden sein mit dem, was ich leiste. Einfach nur zu sagen: „Ich schau’ mal, was heute geht“, macht ab und zu vielleicht Spaß, aber manchmal will ich es auch so angehen: „Okay, vor einem Jahr bin ich 7a geklettert, heute klettere ich eine 7b, weil ich habe mich ja verbessert.“

Ansprüche an sich selbst zu stellen, ist gut, Vergleiche mit anderen sind für mich nicht zufriedenstellend. Deshalb habe ich auch ein Problem mit Social Media. In meiner Alpinismus-Blase sehe ich ständig, was andere gerade draußen erleben, während ich gerade nicht rausgehen kann. Da muss man sich dann schon bewusst machen, dass man gerade auch etwas leistet. Auf der Uni, im Job oder als Jugendleiter.

Was motiviert dich zum Ehrenamt?

Ich war von klein auf immer im Vereinsleben integriert und konnte in vielfältiger Weise davon profitieren. Da war es für mich klar, dass ich mich auch selbst aktiv beteiligen will und so etwas zurückgeben kann. Vor allem was die Soft Skills betrifft, habe ich enorm viel im Verein gelernt. Es ist wahnsinnig cool zu beobachten, wie sich Menschen in Vereinen entwickeln können, wenn sie selbst etwas planen und umsetzen können. Dabei lernt man so viel.

Wie hast du Zeit für das Ehrenamt? Man muss natürlich irgendwo Abstriche machen, ich arbeite einfach hauptberuflich weniger, dann passt das! (lacht) Und man sollte es weniger als Zeitaufwand sehen und die schönen Seiten daran entdecken.

Was bedeutet Ehrenamt für dich?

Ehrenamt ist wertvoll investierte Zeit – für mich und für andere – und ein Weg, unserer Gesellschaft etwas zurückzugeben.

Wie wichtig ist jungen Menschen das Thema Leistung im Alpinismus und wie gehen sie deiner Ansicht nach mit Risiko um?

Ich weiß nicht, ob unsere Gruppe eine Ausnahme ist, aber mir kommt vor, dass der Leistungsgedanke eher eine untergeordnete Rolle spielt. Sie machen das, was ihnen Spaß macht, und probieren gerne Neues aus, zum Beispiel Eisklettern.

Nicht aber mit dem Ziel, dass sie nächstes Jahr dann W6 klettern müssen. Und sie haben ein sehr ausgeprägtes Risikoverhalten, sind bewusst unterwegs und überlegen zweimal, ob sie wo einsteigen. Zum Sportklettern haben sie immer einen Helm dabei, da können wir oft von ihnen lernen.

„Ansprüche an sich selbst zu stellen, ist gut, Vergleiche mit anderen sind für mich nicht zufriedenstellend.“

Deine Reise mit dem Junge Alpinisten TEAM ist im Herbst 2022 zu Ende gegangen. Geht sie mit der Jugendgruppe in der Sektion Wattens in einer Art und Weise weiter?

Schon bei der Bewerbung für das TEAM war für mich klar: Wenn ich reinkomme, dann will ich das auch machen, um etwas für unser Jugendteam mitzunehmen. Oft waren es nur kleine Tricks mit dem Seil oder Aspekte zur Tourenplanung, die ich direkt nach Wattens in die Jugendgruppe getragen habe. Dadurch habe auch ich mein Wissen gefestigt.

Wie war das damals, als du dich für das TEAM beworben hast?

Ich habe die Bewerbungsfrist erst ziemlich spät gesehen und mir ehrlich gesagt auch wenig Chancen ausgerechnet. Ich dachte, das wäre nur etwas für bereits sehr starke Alpinisten. Aber das stimmt so nicht ganz, es geht vielmehr darum, sich weiterzuentwickeln.

Meine Entscheidung für die Bewerbung fiel erst ein paar Wochen vor dem Ende der Anmeldefrist. Dann bin ich drei Wochen lang rotiert. (lacht) Ich habe mir von der Arbeit freigenommen, bin in den Kaiser gefahren und ins Zillertal, um noch ein paar Touren zu sammeln. Ich hatte ziemliche Defizite beim Eisklettern, dazu hatte ich noch wenig Zugang.

Die Einstiegshürden sind recht hoch und ich kannte niemanden, der das betrieben hat. Da habe ich mir dann schon gedacht, dass das ein Problem werden könnte. Dann bin ich am Tag vor dem Auswahlwochenende noch bei uns in den Steinbruch gefahren und im Halbdunkeln ein paar ganz leichte Kletterrouten mit Steigeisen geklettert. (lacht)

Dann bin ich zum Auswahlwochenende hingekommen und es war eigentlich ganz entspannt. Man hat sich jetzt nicht wie in einer Prüfungssituation gefühlt. Wir waren in den Tagen gemeinsam klettern, die Mentoren gaben uns dabei Tipps und haben uns bei harten Zügen angefeuert. In der Gruppe hatten wir viel Zeit, uns auszutauschen und uns etwas besser kennen zu lernen.

Bei der Heimfahrt waren meine Gedanken dann eher, dass das jetzt ein derartig gutes Wochenende war, dass es das schon voll wert war, auch wenn ich nicht reinkomme. Allein schon der Kontakte wegen. Wenn man so etwas machen will, sollte man es einfach probieren. Solange man bereit ist, sich zu entwickeln, hat man gute Chancen.

Man munkelt, du wärst der beste Materialwart, den sich der Alpenverein nur wünschen kann? Was ist da dran?

Haha. Ich weiß nicht, ob alle mit mir als Materialwart glücklich sind! Ich bin in Sachen Material wirklich ein ziemlicher Ordnungsfreak und übertreibe es da schon manchmal. Die Aufgabe habe ich mir selbst auferlegt. Als Jugendleiter habe ich oft etwas ausgeliehen und es gab nichts, was mich mehr aufgeregt hat, als wenn das, was ich gesucht habe, dann nicht da war. Obwohl ich wusste, dass wir es haben.

Daraufhin habe ich angefangen aufzuräumen und dann haben sie zu mir gesagt: Mach das doch als Materialwart! Und dann bin ich durchgestartet. (lacht) Jetzt haben wir ein komplett neues Ordnungssystem. Es gibt nichts Schöneres, als ins Lager zu gehen und man greift zur Linken, da hängen nebeneinander alle Grigris, darunter die Smart und darüber die nach Größe geordneten Gurte, es passt einfach alles. Das finde ich schon angenehm!

Wie gehören Kaffee und Alpinismus für dich zusammen?

Interessante Frage! Kaffee und Alpinismus sind zwei Dinge, die das Leben für mich lebenswert machen. Oft kämpfe ich mich wo durch, weil ich weiß, in einer Stunde trinke ich dann einen guten Kaffee. Ein Lichtblick, wie wenn man weiß, dass man morgen eine lässige Tour gehen wird. Beides kombiniert, eine gute Tour und ein guter Kaffee danach, ist für mich der Gipfel der Gefühle.

Erschienen in der
Ausgabe #124 (Herbst 23)

bergundsteigen #124 cover (Schwerpunkt: Inklusion)