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Reinhold Messner am Nanga Parbat Gipfel 1978
19. Sep. 2019 - 13 min Lesezeit

„Das selbstbestimmte Leben ist mir heilig“

Reinhold Messner und seine Zeit als großartiges Geschenk
Zum 75. Geburtstag erinnert sich die Südtiroler Bergsteigerlegende Reinhold Messner an die Dolomiten seiner Kindheit und an seinen Schicksalsberg, den Nanga Parbat. Er schimpft über den AVS und lobt ihn auch ein wenig.

(aus Bergeerleben September 2019, AVS-Mitgliedermagazin)

Das Gespräch führte Lenz Koppelstätter.

Reinhold Messner im Gespräch mit Lenz Kopppelstätter, 2019. Fotos: Miriam Federspiel

Reinhold Messner empfängt im Büro von Sigmundskron, von wo aus der Blick über Täler, Berge und das Messner Mountain Museum reicht. „Wir haben nur eine Stunde“, sagt Messner und will gleich loslegen. Unten im Garten wartet ein Filmteam, außerdem warten neue Buchprojekte, neue Expeditionen, neue Filme.

75? Für Messner kein Alter, zurückzuschalten.

Herr Messner, schließen Sie die Augen, denken Sie zurück an Ihre erste Kindheitsbergerinnerung. Was sehen Sie?

Da bin ich in Gedanken im Villnößtal – mit meinen Brüdern. Vor allem mit Günther. Im Sommer verbrachten wir stets einige Wochen auf der Gschnagenhartalm. Von dort aus brachen wir zum Klettern auf. Schon im Alter von fünf Jahren kraxelte ich mit meinem Vater, der bereits seit den 1930er Jahren kletterte, auf den Sass Rigais. Dass ich mein späteres extremes Berg- steigen überlebt habe, verdanke ich diesen frühen Kindserfahrungen in der archaischen Bergwelt der Geislerspitzen.

Wie war das Klettern damals?

Dort, wo wir in den Bergen unterwegs waren, gab es weder Markierungen noch Steige. Wir kletterten mit Hanfseil – ohne Helm. Wir lernten, Maß zu nehmen. Wir lernten zu verstehen, wo die Gefahr ist, wann das Wetter umschlägt. So wuchsen Instinkte in uns, die sich nur in früher Jugend entwickeln können. Wir schauten nach Gämsen, wir suchten bei Regengüssen Schutz unter Bäumen, liefen unter Blitz und Donner zurück zur Alm. Wir setzten uns mit der Natur auseinander. In der Pubertät wurde die Kletterleidenschaft noch einmal stärker.

Wie drückte sich diese Leidenschaft aus?

Wir erkletterten die großen Dolomitenwände, dann fuhren wir weiter – zu den Westalpenwänden. Ich war 18 Jahre alt, da entdeckten wir, dass es eine europäische Kletterszene gibt und rutschten in diese Szene hinein. Mit Günther machte ich viele Erstbegehungen, wir bewältigten immer schwierigere Routen.

Was wollte der kletternde, pubertierende Reinhold Messner werden?

Sicher nicht Berufsabenteurer. Das war jenseits jeder Vorstellung, dafür gab es keine Beispiele. Von gewollter Karriere konnte zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede sein. Wir hatten daheim eine Geflügelfarm, wir Brüder mussten mithelfen. Mit etwas Verspätung schickten mich die Eltern in die Geometerschule. Ich rebellierte gegen autoritäre Lehrer. Da gab es einen, der dachte, er sei das Gesetz. Ich widersetzte mich.

Eines Winters, 1966, versuchte ich, das Matterhorn über die Bonatti-Route in der Nordwand zu besteigen – ein Wettersturz in der Wandmitte zwang mich, umzukehren. Ich hatte ein paar Schultage versäumt, besagter Lehrer fragte mich, was ich getrieben hätte. Ich sagte ihm, das gehe ihn nichts an. Aus Rache ließ er mich sitzen und zuletzt durch die Matura rasseln. Ich war wütend und schwor mir: Nie mehr im Leben lasse ich mir von jemandem vorschreiben, was ich wie zu tun habe!

Die Geburt des Freigeistes und Rebellen Reinhold Messner?

Ja. Das selbstbestimmte Leben ist mir heilig. Die Matura habe ich als Privatist nachgeholt.

Messner, der Dolomitenkletterer. Foto: Archiv Messner

Wann wurde Ihnen das Abenteuer zum Beruf?

Seit der Tragödie am Nanga Parbat. Im Himalaja haben mein Bruder Günther und ich erstmals überlegt: Was machen wir danach? Er hatte seinen Job bei der Bank gekündigt, ich war Student: Hoch- und Tiefbau in Padua. Wir übelegten, in Villnöß eine Bergsteigerschule zu gründen und als Freelancer zu schreiben, Vorträge zu halten, uns gemeinsam auch durchs Alltagsleben zu schlagen.

Es kam anders. Günther Messner kam bei der Nanga-Parbat-Expedition 1970 ums Leben, nachdem er gemeinsam mit seinem Bruder den Gipfel erreicht hatte. Reinhold wurde im Nachhinein mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Er habe von Anfang an heimlich die Überschreitung des Berges geplant, er habe seinen Bruder nach der Durchsteigung der Rupalwand im Süden des Gipfels im Stich gelassen. Er konterte: Die Überschreitung und der Abstieg über  die westliche Diamirwand sei die einzige Möglichkeit gewesen, mit dem höhenkranken Bruder und bei schlechtem Wetter wieder  abzusteigen. Er habe Günther bis an den Fuß der Wand gebracht, dort sei sein Bruder von einer Lawine verschüttet worden. In den Jahren 2000 und 2005 wurden Überreste von Günther Messner am Fuße der Diamirwand gefunden.

Sie waren 26. Sie kehrten ohne Bruder aus dem Himalaja nach Villnöß zurück. Wie sollte es weitergehen?

Meine Eltern bedrängten mich, das Studium abzuschließen. Meine Brüder sagten, du kannst eh nicht mehr richtig klettern – mit deinen amputierten Zehen. Nach Trauer und Zweifeln entschloss ich mich dazu, das Leben zu führen, das ich bis heute führe: Ein Leben in Freiheit. Ein Leben als Abenteurer.

Ohne zu wissen, ob es klappt. Was war der Plan B?

Den gab es nicht. Ich entwickle Ideen, plane und mache sie wahr. Und erst, wenn etwas nicht klappt, entwickle ich einen Plan B. Sonst müsste ich ja von Anfang an meine Energie teilen und jeweils in zwei Projekte stecken.

Reinhold Messner am Nanga Parbat Gipfel 1978, solo. Foto: Archiv Messner

Tun, was andere für unmöglich halten: Reinhold Messner am 9. August 1978 am Gipfel des Nanga Parbat nach der ersten Solobesteigung eines Achttausenders überhaupt; nur drei Monate zuvor stand er zusammen mit Peter Habeler am Gipfel des Mount Everest – ohne die Verwendung von Flaschensauerstoff. Foto: Archiv Messner

Was mich fasziniert: Sie sind bei ihren Touren oft umgedreht. Dabei hing an den Expeditionen doch Ihre Existenz. Der Druck, selbst in der Gefahr nicht kehrtzumachen, muss enorm gewesen sein.

Ja, bei einem Drittel der Touren bin ich umgedreht. Aber Druck verspürte ich nie. Ich habe in meinem Leben nie Geld geliehen. Ich habe immer mit dem Geld der vorherigen Unternehmung die nächste bezahlt. Und dadurch, dass meine Expeditionen von Mal zu Mal minimalistischer wurden, wurde auch das benötigte Geld weniger.

Der Nanga Parbat wurde zu ihrem persönlichen Schicksalsberg. Tod des Bruders, Beginn der Karriere. Wie sehr beschäftigt Sie dieser Berg heute noch?

Der Nanga Parbat war meine zweite Bergsteiger- und Lebensschule, nach dem Klettern als Bub in den Dolomiten. Dort habe ich den nötigen Rest gelernt.

Messner legte eine unvergleichliche Bergsteigerkarriere hin: Gemeinsam mit Peter Habeler erreichte er 1978 den Gipfel des Mount Everest – erstmals ohne Sauerstoffzusatz. Von

1970 bis 1986 erklomm er alle 14 Achttausender – jeweils ohne Flaschensauerstoff. 1978 erreichte er als erster Mensch im Alleingang den Gipfel eines Achttausenders – den des Nanga Parbat. 1980 bewältigte er den Mount Everest – solo. Es folgten Expeditionen in der Antarktis, in Grönland, in der Wüste Gobi.

Messner 1978 im Basecamp des Mount Everest mit Peter Habeler. Foto: Archiv Messner

Eine scheinbar simple Frage: Warum? Was war der Antrieb?

Die unbändige Leidenschaft. Aber es ging mir immer auch um mehr als das bloße Erreichen eines Ziels. Es ging mir ums Narrativ, um die Haltung. Mich fasziniert die Auseinandersetzung des Einzelnen mit dem Berg. Dieses Narrativ ist heute mächtig ins Wanken geraten.

Wenn heute am Mount Everest 200 Sherpas eine Piste zum Gipfel errichten, für irgendwelche Touristen, die nie im Leben alleine den Montblanc schaffen würden, dann ist der Kern des Bergsteigens in Gefahr. Dann wird das Bergsteigen zum Tourismus, zum Spazierengehen in der Todeszone. Anstrengend, ja, gefährlich, ja, aber kein Abenteuer mehr.

Bergsteigen als Outdoor-, Sport-, Freizeitvergnügen. Als Fun.

Kommendes Jahr in Tokio wird Sport- klettern zur olympischen Disziplin. Da klettern also Olympioniken eine 20 Meter hohe Plastikwand hoch – und wir erkennen das als einen Aspekt des  Bergsteigens an. Das ist nicht mein Narrativ des Alpinismus. Echter Alpinismus kann keine olympische Disziplin sein. Dafür ist das Bergsteigen viel zu gefährlich. Wetter, Gefahren, Natur – all das ist unvorhersehbar. Schuld an dieser ganzen Entwicklung sind übrigens die Alpenvereine, weil sie diese Welle reiten. Sie hätten ja dagegen opponieren können. Die Haltung muss sein: Klettern in der Halle ist ein schöner Sport – aber kein Alpinismus. Bergsteigen ist nicht messbar. Bergsteigen ist kulturelle Auseinandersetzung des Menschen in der Bergnatur. Ich sage dem Alpenverein Südtirol: Verliere deine Kernkompetenz nicht aus den Augen. Überlasst das Sportklettern den Sportvereinen.

Überlasst den Tourismus den Tourismusvereinen. Brennerbasistunnel, Bozner Flughafen, das sind alles keine AVS-Themen. Die Wildnis hoch über der Waldgrenze gilt es zu verteidigen. Alpenvereine sollen sich um die Berge und um Bergsteiger – echte Bergsteiger – kümmern, so wie sie es über Jahrzehnte großartig gemacht haben: Versicherung für die Alpinisten, Wegmarkierungen inklusive. Was noch?

Messner, der Kletterer, in den Cinque Torri, 1981. Foto: Archiv Messner

Schutzhütten.

Nein, die hätten sie lange schon an Bergbewohner übergeben können. Ursprünglich, 1869, stand in den Satzungen der alpinen Vereine: Die Alpinisten sollen den Einheimischen ein Auskommen sichern. Die Bergbauern waren vielfach abgewandert. Schutzhütten als Fetisch, okay, aber nicht als Rechtfertigung.

Herr Messner, Sie sind schon wieder im Angriffsmodus!

Nein, ich muss rückblickend ein Lob aussprechen. An Luis Vonmetz, den ehemaligen AVS-Vorsitzenden, ein Bergsteiger mit Format und Weitblick. Nach der Nanga-Parbat-Tragödie wurde ich über Jahre immer wieder mit schlimmsten Anschuldigungen konfrontiert. Von anderen Expeditionsteilnehmern, von Medienhäusern. Der Deutsche Alpenverein hat sich nicht von diesen Anschuldigungen distanziert – im Gegenteil. Vonmetz schon. Das halte ich ihm heute noch zu Ehren.

Sie teilten viel aus, Sie mussten viel einstecken. Auch unter der Gürtellinie: Heimatverräter, Nestbeschmutzer, rücksichtsloser Selbstvermarkter, Streithammel.

Ich bin durch Widerstände zum Erfolg gekommen. Die Schimpfworte, die ich ertragen habe, sind mehr als ausgrenzend. Was immer ich in Südtirol angefangen habe, wurde blockiert. Weil ich den Leuten nicht nach dem Mund rede.

Entschuldigen Sie, nur eines möchte ich nach all den Jahren noch loswerden, wenn ich darf: Seit 40 Jahren wird mir vorgeworfen, dass ich mir alle Erfolge, die Anerkennung klaue. Nein, es ist genau umgekehrt. Ich beschreibe meine Abenteuerkameraden, Peter Habeler, HansKammerlander, Arved Fuchs, als große Könner – in all meinen Büchern, Vorträgen, Filmen. Das ist alles nachlesbar.

Wie ist heute das Verhältnis zu Habeler, Kammerlander, Fuchs?

Wenn wir von ihnen selbst reden, nicht von ihren Managern, kann ich nur sagen: Das Verhältnis ist sehr gut. Wir hatten auch während der Expeditionen nie Probleme. Die Streitereien kamen immer hinterher. Weil es danach nie mehr nur um unsere gemeinsame Sache ging. Weil es danach immer Dritte gab: Manager, sogenannte Medienfreunde, die Zwietracht gesät haben. Bergkameradschaft, dieses Wort wird oft zur Hülse.

Sind Sie heute milder?

Ich bin völlig zufrieden.

Sie sehen, ich schmunzele …

Doch, völlig mild. Außer jemand kommt mir mit Rechtsradikalismus à la Salvini! Aber wir wollten über die Berge sprechen, nicht über Politik …

Berge und Politik, man sieht es an ihrer Person, sind schwer zu tren-nen. Berge wurden immer auch politisiert. Kreuze am Gipfel! Vetta d’Italia! Ihr Spruch: „Das Schneuztuch ist meine Fahne!“

Das stimmt, aber das ist eine vergleichsweise junge Entwicklung. Die Gipfelkreuze entstehen mit den Napleonischen Kriegen – Gipfelkreuze gegen die Aufklärung. Fahnen am Gipfel sind Kinder des kolonialistischen Geistes und Wettlaufs. Wir Europäer wollten die ganze Welt erobern. Aber erklären Sie mir bitte schön, wie erobert man einen Berg? Das ist dummer Heroismus. Ich gehe nach wie vor für niemanden auf den Berg – nur für mich.

Was ist der Berg dem Menschen eigentlich?

Ein Widerstand. Hier auf Sigmundskron gibt es eine Stelle an der Burgmauer, da kann ich auf die Autobahn hinunterblicken. Ich sehe, wie die Autos auf der Schnellstraße MeBo im Berg verschwinden. Das ist der Blick auf die heutige Zeit. Die Bergesind durchlässig geworden. Vor tausend Jahren gab es keine Tunnel. Ötzi musste über die Berge gehen.

Hat der Mensch gewonnen, der Berg verloren?

Der Berg verliert nicht. Weil er nicht kämpft. Der Berg ist nur da. Ohne Willen. Ohne Haltung.  Ohne Hinter- gedanken. Er ist nicht böse. Böse kön- nen nur wir Menschen sein. Berge  sind absichtslos. Der Berg zeigt uns die Erd- geschichte. Er rächt sich nicht, er ruft nicht, er lügt nicht. Wir Menschen lügen.

Wie wünschen Sie sich den Alpinismus der Zukunft?

Dafür müssen wir zuerst einen Blick in die Vergangenheit werfen. Es gibt eine erste Phase des Bergsteigens, den Eroberungsalpinismus, der in den Alpen zwischen 1786 und 1865 statt- fand, im Himalaja zwischen 1950 und 1965. Es folgt der Schwierigkeitsalpinismus, da ging es nicht mehr um das „Ob“, sondern ums „Wie“. In Italien und Deutschland folgt der Heroische Alpinismus in den Jahren der Diktaturen. Schließlich etablierte sich der auch von mir geprägte Verzichtsalpinismus. Mein Postulat: Besteige die schwierigsten Wände mit möglichst wenig Material! Ohne Bohrhaken, ohne zusätzlichen Sauerstoff, ohne Kontakt nach außen. Heute nun leben wir im Zeitalter des  Pistenalpinismus.

90 Prozent der zeitgenössischen Alpinisten steigen auf Berge, die präpariert sind. Dabei sind viele Berge in aller Welt noch nicht bestiegen. Ein Glück, oder? Wenn ich von Neuguinea nach Indien fliege, fliege ich über hunderttausend nicht erklommene Berge.

Messner, der Museumsmacher, auf der Baustelle seine MMM Messner Mountain Museums am Kronplatz. Foto: Archiv Messner

Von 1999 bis 2004 machte Messner einen kurzen Ausflug in die parlamentarische Politik und saß als Parteiloser für die Grünen im Europäischen Parlament. Heute ist er Museumsherr, Filmemacher und weiterhin Buchautor. Sechs Standorte bilden das MMM, das Messner Mountain Museum. Messner hat insgesamt vier Kinder.

Was raten Sie Ihren Kindern?

Nur so viel: Es kommt nicht darauf  an, auf ein gelungenes Leben zurückzublicken. Es kommt darauf  an, im Hier und Jetzt Ideen umzusetzen. Im Umsetzen passiert gelingendes Leben. Den besten Wein zu machen, ihn nicht nur zu trinken, macht glücklich. Nicht Konsum, nicht das Haben. Nur die Umsetzung von Ideen macht kreativ, stark und glücklich.

Welche jungen Bergsteiger faszinieren Sie?

Was Alex Honnold am El Capitan im kalifornische Yosemite-Nationalpark gemacht hat, hat mich beeindruckt: Tausend Meter Steilwand, free solo – das ist erste Qualität! Es gibt heute eine kleine Riege von exzellenten traditionellen Alpinisten, die haben meine ganze Hochachtung. Sie sind besser als alle andere vor ihnen  Drei, die vor wenigen Monaten umsLeben kamen, gehörten ganz sicher dazu: Jess Roskelley, David Lama, Hansjörg Auer.

Ist der Berg ein schlimmer Ort, um zu sterben?

Die Kunst ist es, dort nicht zu sterben. Es gehört aber einfach  auch verdammt viel Glück dazu. Es ist nicht so, dass die Besseren überleben und die Schlechteren sterben. Aus dem absoluten Spitzenfeld der Alpinisten stirbt die Hälfte am Berg. Jess, David, Hansjörg, hatten dieses eine Mal nicht genug Glück. Ich hatte öfters auch Glück.

Haben sie Angst vor dem Sterben?

Der Prozess des Alterns ist der schwierigere. Bisher ist es mir ganz gut gelungen, damit zurechtzukommen. Weil ich nach wie vor viele Ideen habe und diese umsetze. Und ich muss nichts mehr. Ich muss mich auch von niemandem mehr gängeln lassen. Ich kann mich für den Rest meiner Tage da draußen an die Burgmauer setzen, zufrieden ins Gebirge schauen und alles Gewesene akzeptieren. Es war gut so!

Herr Messner!

Gut, nein, das entspricht nicht meinem Naturell. Aber was ich sagen will, ist: Ich spiele nur noch. Ich spiele, so gut und lange es geht. Ja, irgendwann wird die Unmöglichkeit eintreten, ich werde zittrig und tattrig sein. Ich bin Realist, das Sterben wird sicherlich ein schwieriger Prozess. Der Tod ist einfach, das Sterben für jemanden wie mich ein Massaker. Aber wenn ich heute Nacht gut einschlafe und morgen früh nicht mehr aufwache, ist das völlig in Ordnung – Erlösung zuletzt.

Erlösung wovor?

Das Leben ist ein großartiges Geschenk, eine Möglichkeit, sich auszudrücken, Maß zu nehmen, zuletzt – im Angesicht des Todes – absurd. Es war in meinem Fall auch Selbstverpflichtung, Anspruch an mich selbst. Das Mich-Verlieren in Unendlichkeit, Stille und Zeitlosigkeit muss erlösend von allem anderen sein, wie ein Verlorengehen in der Wüste.

Messner, der Bergbauer, beim alljährlichen Yakauftrieb imn Frühsommer in Sulden. Foto: Archiv Messner