Anleitung: „Weiches Auge“ – wie knoten und verwenden?
Lange Zeit verwendete man am Standplatz einen Verschlusskarabiner als „zentralen Punkt“. Dort wurden dann weitere Karabiner zur Selbst- und Partnersicherung eingehängt. Einige Länder wie z.B. Frankreich sahen es immer kritisch, quasi „die ganze Seilschaft“ an einen einzigen Karabiner zu hängen – wusste man doch, dass diese u.U. brechen können. Diese Brüche ereigneten sich zwar regelmäßig an den Karabinern von Expressschlingen (Zwischensicherungen), einer am Zentralkarabiner eines Standplatzes ist aber nicht bekannt.
Trotzdem ist es wirklich nicht geschmeidig, einen Karabiner in einen anderen zu hängen: ungünstige Querbelastungen auf Karabinerschenkel und -schnapper könnten auftreten, dieser Karabiner muss immer zugeschraubt werden, es wird alles ein bisschen unübersichtlich, …
Obwohl das Prinzip des Zentralkarabiners jahrelang gut funktioniert hat – und es auch immer noch tut – war es vermutlich Dieter Stopper, der mit steigender Beliebtheit der Reihenverankerung das sogenannte „Weiche Auge“ ins Spiel brachte. Anstelle eines Karabiners wird einfach ein Auge in eine „weichen“ Bandschlinge geknotet und als zentraler Punkt verwendet.
Damit die Sache aber nicht zu einfach wird, wurde dieses „Weiche Auge“ mit einem doppelten Bulinknoten gemacht. Weil dieser Knoten das Bandmaterial weniger schwächt und weil bei diesem Knoten das Auge auch unter Belastung (z.B. wenn der Sichernde mit seinem Körpergewicht drinnen hängt) etwas offen ist, d.h. ein anderer Karabiner leichter eingehängt werden kann.
Es macht also durchaus Sinn sich zuhause in Ruhe eine lange (120 cm) Bandschlinge als Standplatzschlinge herzurichten, indem man sie mit einem sauber geknoteten weichen Auge à la doppelten Bulinknoten und zwei Verschlusskarabinern ausstattet. Es macht nichts, wenn sich der Knoten mit der Zeit immer fester zusammenzieht, man kann ihn einfach drinnen lassen, denn diese Schlinge bzw. das weiche Auge eignet sich auch perfekt als Abseilschlinge, für den Stand an einem Fixpunkt (Felskopf, Baum, …), für Klemmknoten (FB-Klemmknoten), usw.
Und so geht’s:
„Weiches Auge“ mit doppeltem Bulin
Sackstichschlinge knoten und zwar eng an der Vernähung der Bandschlinge, damit diese Naht dann später möglichst wenig stört. Darauf achten, dass alle Stränge parallel laufen und nichts verdreht ist. Den Sackstich aber nicht zusammenziehen, sondern locker um den Zeigefinger offen lassen. Es ist übrigens völlig egal ob die Bandschlinge aus Polyamid, Dyneema oder Mischgewebe besteht.
Schlinge zurückklappen und zwar über den ganzen Knoten sodass sie auf dem Zeigefinger liegt. Die Schlinge muss jetzt einmal „umgeklappt“ werden, damit nichts verdreht ist (rechts).
Die zwei Stränge über dem Zeigefinger herausziehen und zwar behutsam und in die Richtung, dass die zurückgeklappte Schlinge zugezogen wird.
Jetzt noch alle Stränge eng zusammenziehen und fertig ist ein weiches Auge mittels doppelten Bulinknoten.
Noch zwei Verschlusskarabiner (Schrauber) eingehängt und so um die Schulter getragen haben wir eine vorbereitete Standplatzschlinge für den nächsten Standplatz Typ Reihenverankerung.
Auch ohne Bohrhaken, wenn wir einen Universalstand bauen, hängen wir unsere Karabiner in ein weiches Auge, nur dass dieses aus einer Sackstich- oder Achterschlinge besteht. Wem der doppelte Bulin oben zu aufwendig ist, der kann auch für die vorbereitete Standplatzschlinge stattdessen problemlos eine normale Sackstichschlinge knoten. Mag sein, dass der doppelte Bulin die Bandschlinge etwas weniger schwächt als der Sackstich, aber für die geringen Belastungen die am Standplatz maximal auftreten können ist das kein Thema. Und man muss keinen neuen Knoten lernen…
„Weiches Auge“ mit Sackstich
Sackstichschlinge knoten und zwar eng an der Vernähung der Bandschlinge und alle Enden fest anziehen.Zwei Karabiner einhängen, um die Schulter hängen und los gehtz.
PS: Egal wie es gemacht wird, das weiche Auge soll gerade so groß sein, dass noch zwei bis drei Karabiner eingehängt werden können. Auf den abgebildeten Fotos ist es aus illustratorischen Gründen etwas zu gross.
Alle Fotos: argonaut.pro