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28. Nov 2024 - 4 min Lesezeit

Bruchez: 82 Viertausender mit Ski – und ein Kampf der Rekorde

Alle Viertausender der Alpen besteigen – und das in möglichst kurzer Zeit. Franco Nicolini, Diego Giovanni und Ueli Steck setzten Maßstäbe, Kilian Jornet übertraf alle. Und jetzt? Steilwandskifahrer Vivian Bruchez plant, alle Viertausender mit Ski zu befahren.

Im Jahr 2008 stellten Franco Nicolini und Diego Giovannini mit der Besteigung aller 82 Viertausender der Alpen in 60 Tagen einen ersten, damals verrückten Rekord auf. Die Italiener legten die Distanzen aus eigener Kraft zurück, also ohne technische Hilfsmittel wie Bergbahnen. 2015 nahm Ueli Steck die Herausforderung an und verpasste den Rekord mit 62 Tagen nur knapp. Deutlich schneller waren 2024 der Schweizer Gleitschirmprofi Chrigel Maurer und der Schweizer Bergsteiger Peter von Känel, die in 51 Tagen alle Gipfel bestiegen und dabei, wo immer möglich, den Gleitschirm nutzten. 

Man ahnt es schon, die Liste geht weiter: Im September dieses Jahres legt der Katalane Kilian Jornet die 1.207 Kilometer, 82 Viertausender und 75.344 Höhenmeter in nur 19 Tagen zurück. Die durchschnittliche Schlafdauer während der Unternehmung: fünf Stunden und 17 Minuten. 

Steilheit in Perfektion: Die 4.000er mit Ski

Und nun? Dass jemand in absehbarer Zeit die Rekordzeit von Jornet unterbietet, würde nicht nur ein noch härteres, fast unmenschliches Training voraussetzen, sondern auch die menschliche Leidensfähigkeit neu definieren. 

Der französische Steilwandskifahrer Vivian Bruchez. Foto: Clayton Herrmann
Vivian Bruchez lebt und wuchs in Chamonix auf. Schon mit 19 fuhr der Steilwandskifahrer das anspruchsvolle Mallory Couloir. Foto: Bruchez in Chamonix, Credit Clayton Herrmann

Nicht so Vivian Bruchez: Statt einem neuen Zeitrekord nachzueifern, möchte das wohl bekannteste Gesicht des Steilwandskifahrens mit seinem Langzeitprojekt #4000desalpeski möglichst alle 4000er der Alpen mit Ski befahren. Seit über 20 Jahren ist Bruchez in den Steilwänden der Alpen unterwegs. Erstbefahrungen wie die Abfahrt über die Éperon Migot du Aiguille du Chardonnet (3.844m) mit Kilian Jornet, die Nordwand des Aiguille Blanche de Peuterey (4.112m) zusammen mit Tom Lafaille, Boris Langenstein, Tiphaine Duperier und Guillaume Pierrel oder die Bruchez-Lafaille Line an der Nordwand der Aiguille du Goûter (3.862m) machten Vivian Bruchez zu einem der erfolgreichsten Steilwandfahrer seiner Generation.

Foto: Clayton Herrmann

Mehr dazu: Das Mallory Couloir mit 19, etliche Erstbefahrungen an Steilwänden mit Mitte 30: Vivian Bruchez im bergundsteigen-Interview über Erstbefahrungen, Vermarktung und Steilhang-Skifahren im Wandel der Zeit.

In den letzten vier Jahren hat sich Bruchez fast ausschließlich auf sein 4.000er-Projekt konzentriert. Einige dieser Gipfel sind jedoch nicht vollständig mit Ski befahrbar. Trotz der kürzlich erfolgten, äußerst anspruchsvollen Abfahrt der Pointe Hélène und der Pointe Croz auf der Südseite der Grand Jorasses, glaubt Vivian nicht, dass er alle Gipfel mit Ski abfahren kann. Für ihn stehe aber fest, dass er das Projekt zu Ende bringen möchte – auch wenn er dabei manchmal auf die Ski verzichten muss.

Abfahrt vom Schreckhorn: Bruchez und die Nordwand

Ein weiterer markanter Gipfel in Bruchez‘ Projekt ist das Schreckhorn (4.078 m) im Berner Oberland. Zusammen mit seinem Team, bestehend aus dem Fotografen Thomas Guerrin und dem Bergsteiger Aurel Lardy, wagte sich Vivian im Juni 2024 an die Besteigung und Abfahrt. Vor allem die Nordseite des Berges, die in Teilen einer der Erstbesteigungsrouten von 1864 folgt, stellte eine Herausforderung dar: Steil, schmal und ausgesetzt am Gipfel, weitläufig und einladend erst am Fuße des Berges. Nach der Abfahrt nahmen Bruchez und sein Team das Abenteuer in einem Packraft, einem aufblasbaren Kajak, wieder auf. Von Sion aus paddelten sie die Rhône hinab bis nach Martigny und kehrten schließlich per Zug nach Hause zurück. 

In diesem Winter stehen noch einige Gipfel auf der Liste. Das Projekt kann auf den Social-Media-Kanälen des Franzosen verfolgt werden. 

Bergführer, Alpinist und Extremskifahrer: Vivian Bruchez geht an die Grenzen des Machbaren. Foto: Archiv Vivian Bruchez
Bergführer, Alpinist und Extremskifahrer: Vivian Bruchez geht an die Grenzen des Machbaren. Foto: Archiv Vivian Bruchez

Die Ausrüstung in der Steilwand

Dass bei solchen extremen Unternehmungen das Material passen muss, ist klar. Bei der Abfahrt vom Schreckhorn war der Dynastar M-Vertical 88 F-Team Open der Ski der Wahl, als Skischuh der F1 von Scarpa. Auch die Skibindung spiele eine entscheidente Rolle: Bruchez modifizierte zum Beispiel die Plum R150 Bindung, die für Steilwände und technisches Skifahren entwickelt wurde, mit einer längeren Schiene, um verschiedene Skischuhe verwenden zu können. Zudem hat er zusätzliche Schrauben montiert, um ein höheres Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Für ihn ist die Bindung eine „Lebensversicherung“, die ihm Sicherheit in gefährlichem Gelände gibt. Er muss sich auf seine Ausrüstung verlassen können und achtet akribisch darauf, dass alles in einwandfreiem Zustand ist. Selbst Kleinigkeiten wie das Putzen des Eises oder das Verriegeln der Bindung beim Aufstieg sind für ihn Rituale, die ihm Sicherheit in extremen Bedingungen geben.


Quellen: Redaktion bergundsteigen, Pressemitteilung Outkomm